von Philip Duckwitz
Die 1,8 Millionen, meist muslimischen Einwohner der Insel sind es, die das Interesse der Reisenden ebenso erwecken können. Dabei hat die meist sehr arme Bevölkerung oft wenig Chancen, sich außerhalb des Tourismussektors zu entwickeln. Dank der TUI Care Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung, die den Namen des größten, deutschen Reiseveranstalters tragen darf, gelingt es, auch auf Sansibar Programme für junge Leute auf den Weg zu bringen, die helfen einen Weg aus der Arbeitslosigkeit zu finden, Perspektiven zu schaffen für die Zukunft, Müll zu vermeiden, der durch den Tourismus entsteht und Wald aufzuforsten, auf der baum-armen Insel im indischen Ozean.
Angekommen auf der Insel Sansibar, die auf eine wechselvolle Geschichte als Kolonie unter verschiedener Führung zurückblickt, begrüßt mich der Fahrer meines Busses mit einem fröhlichen "Jambo" – was soviel wie „Hallo“ bedeutet.
Zuerst gelange ich nach Stown Town, einem der ältesten Teile der gleichnamigen Inselhauptstadt Sansibar. Der Oman war es, der ab 1840 die meist aus Korallensteinen erbauten Häuser der Stadt errichten ließ. Seit 1698 befand sich Sansibar bereits unter deren Einfluss und der Sklavenhandel blühte. Stown Town, heute ein kleiner Teil der Hauptstadt, ist ein Zeugnis der wechselvollen Kolonialgeschichte. Nach dem Oman kamen die Engländer, dann 1884 die Deutschen und 1890 wieder die Engländer, weil man die Insel gegen Helgoland eingetauscht hatte. Ich wandle durch die belebten, engen Gassen. Überall wird in den Souks, den Marktstraßen, Kurioses, Kreatives, Nützliches und Souvenirs angeboten. Die Darajani-Markthalle ist Zentrum des Geschehens. Gewürze, die diese Insel so sehr prägen, sind allerorts in großer Bandbreite zu finden. Die Straßen werden auch immer wieder von Juwelier-Geschäften gesäumt, die den berühmten blauen und sehr wertvollen Tanzanin anbieten. Ein Stein, der mit einem Diamanten vergleichbar ist, und dessen Wert je nach Karat und Blaufärbung schnell Hunderttausende Dollar kosten kann.
Vorbei geht es am Palast der Wunder Beit-el-Ajab, der alten Apotheke... Die alte Festung Ngome Kongme – einst portugiesische Kirche, später Gefängnis – erweckt mein Interesse ebenso wie der Beit-el-Sahel, der Palast des Sultans. Kirchen, wie die anglikanische Kirche oder die St. Josephs Cathedral zeugen von Spuren der Kolonialherrschaften des Westens. Das Sklavenhändler-Haus Tippu-Tip ist ein Relikt aus der Zeit der Sklaverei, die auf Sansibar bist Ende des 19. Jahrhunderts blühte. Cafés säumen die kleinen Plätze, Menschen eilen umher, an den Ecken sitzen Männer und spielen das traditionelle Brettspiel Mancala Bao oder Backgammon. Das Leben in der Hauptstadt ist bunt, laut, lebendig und mystisch. Der Orient lebt hier. Ein Ort zum Eintauchen, Untertauchen, Verschwinden. Das wussten auch zahlreiche Persönlichkeiten, wie etwa Freddie Mercury, der Frontman der Band Queen, der 1946 als Farrokh Bulsara hier geboren wurde und dessen Haus sich bis heute als Museum in der Stadt besichtigen lässt.
Allerorts entdecke ich die Einflüsse arabischer, indischer und fernöstlicher Kulturen, die Sansibar so sehr prägten. Vom Dach eines Hotels mit atemberaubender Aussicht blicke ich am Abend über die Stadt und erfreue mich nicht nur des Sonnenuntergangs, sondern auch dem friedlichen Miteinander der Religionen. Da ruft der Muezin zum Abendgebet, gleich daneben läuten Kirchenglocken, und auf der anderen Seite des Viertels schlägt der Hindutempel die Glocke. Die Stimmung ist entspannt, man respektiert sich auf der kleinen Insel.
Bei meinem Spaziergang durch die Stadt gelange ich zu einem markanten Altbaugebäude, an dem oben ein Banner prangt. „TUI Academy“ lese ich da. Eine Schule im dritten Stock, in der benachteiligte, junge Menschen eine Berufsausbildung im Tourismussektor erhalten. Ich sehe mir mit meiner Gruppe die Klassen der Schule an. Eine theoretische Ausbildung und praktischer Unterricht gehen hier einher. Dank der Kooperation mit einigen Hotels der Insel, haben die Jugendlichen im Anschluss an diese Schule die Möglichkeit, im Tourismussektor unterzukommen.
Mich zieht es weiter an die Strände der Insel in den Nordosten. Dort, wo wenig Besiedlung ist. Raus aus der Hauptstadt. Die Dörfer und kleinen Orte links und rechts des Weges sind wahre Erlebnispfade für Augen und Ohren. Es gibt nur eine halbwegs ordentlich gepflasterte Hauptstraße. In jedem Ort ist Markt, direkt an der Straße. Es geht geschäftig aber gemächlich zu. "Pole, Pole!" erklärt mir der Fahrer. "Immer Langsam!" bedeutet das. Keine Eile bei den heißen Temperaturen. Da werden Ziegen oder Kühe des Wegs entlang getrieben. Alte Männer, knorrige Frauen sitzen am Straßenrand, schauen, sprechen. Handel an kleinen Ständen und eine lebendige Atmosphäre rund um all das, was dort feilgeboten wird. Waren vom Land, Obst, Gemüse, Holzerzeugnisse, Möbelwerkstätten entdecke ich. Kinder spielen auf der Straße, sie haben keine Mobiltelefone wie in Europa, die sie die meiste Zeit beschäftigen. Männer stehen in kleinen Gruppen und debattieren, Frauen tragen Gegenstände oder Gefäße auf dem Kopf. Einige Angehörige des Stammes der Massai – eigentlich auf dem Festland Tansanias zu Hause – laufen in ihren traditionellen Gewändern umher. Obschon die Bevölkerung nicht im Wohlstand lebt, sehen die meisten Menschen glücklich aus. Glück ist eben eine Frage des Empfindens. Am Ende des Dores angelangt, breitet sich die Steppe aus, teils mit Gras bedeckt. Kokospalmen und im Inselinneren echte Urwälder prägen die Insel.
Die tägliche Hitze von über 30 Grad und die hohe Luftfeuchtigkeit sind verantwortlich für die tropenähnlichen Zustände. Nelken, Zimt, Kardamom, Ingwer, Vanille und Muskatnuss sind die wichtigsten Gewürze, die hier wachsen. Das erfahre ich auf einer Gewürzfarm im Inselinneren. Gewürze, die man sonst nur in Pulver- oder getrockneter Form kennt, werden hier angebaut. Manch einer sieht einen Zimtbaum zum ersten Mal. Die Rinde ist es, die später getrocknet, geraspelt und pulverisiert das Gewürz ergibt. Ich sehe zu, wie eine Ingwer-Wurzel ausgegraben wird, wie Lemongras geerntet und getrocknet wird, um daraus später Tee zu bereiten. Die Hibiskusblüte ist es, die als Tee auf der Insel am häufigsten verwendet wird. Vanille, als lange Frucht am Baum, ist für den europäischen Besucher ebenso erstaunlich zu sehen, wie eine Durian-Frucht, mit ihrer stacheligen Schale und ihrem unangenehm riechenden, aber süß schmeckenden Innenleben. Nicht umsonst wird sie als „Stinkfrucht“ bezeichnet, obschon sie sehr vitaminreich ist. Der würzige Kardamom prägt nicht nur Speisen, er hilft als Tee auch bei Erkältung. Ich wandle durch den Garten der Farm, von einer Nutzpflanze zur anderen. Gerüche, Aromen und die Eigentümlichkeit der Pflanzen faszinieren mich als Besucher dieser Plantage, von denen es zahlreiche auf der Insel gibt.
Und endlich gelange ich zu meinem Hotel. Einem riesigen, erst kürzlich neu eröffneten Ressort, mit allen erdenklichen Annehmlichkeiten. Immerhin hat man hier seine eigene Wasseraufbereitungsanlage und Stromproduktion und nimmt der Bevölkerung nichts weg. Auf den Tischen der Restaurants entdecke ich seltsame Flaschen mit Holzverschluss. Ich lasse mir erklären, dass es sich dabei um Gegenstände aus einem Recyceling-Progamm handelt, das auf der Insel betrieben wird. Wieder gefördert durch die TUI Care Foundation. Nicht das erste Mal, dass ich dieses Programm kennenlerne, das sich Zero-Waste nennt. Einst traf ich es bereits in Tunesien an. Denn die Organisation unterstützt mittlerweile in sechs Ländern diese Initiative der Müllaufbereitung zu Kunstgegenständen. Und auf Sansibar entstehen immerhin täglich fast 230 Tonnen Müll, von denen bislang nur 120 recycelt werden. Das sehe ich mir genauer an...
Ich gelange zur Einrichtung Chako Zanzibar. Hier treffe ich auf die Niederländerin Anneloes Roelandschap, die mit ihrem Team aus fünf einheimischen Führungskräften und 55 Mitarbeitern der umliegenden Gegend die Wiederaufbereitungs- und Verarbeitungsanlage führt. Aus alten Flaschen entstehen hier Kerzenhalter, Lampen, Gewürzgläser und vieles mehr. Ich frage die 24-jährige Najma, was sie bewegt hat, bei dem Programm mitzumachen. Inspiriert durch ihre Freunde ist sie hierher gekommen. In der Hoffnung, hier zu lernen, wie man Dinge verarbeitet und selbständig arbeitet außerhalb der Familie. Sie möchte später selbst einmal einen eigenen Betrieb eröffnen. Fortschrittlich für eine junge Frau, die in der Tradition der Familie oft eingebunden und abhängig ist, denke ich bei mir. Wie gut, dass es diesen Betrieb gibt, den auch Reisende auf der Insel besuchen können, um zu erleben, wie die Bevölkerung sich für ihre Insel engagiert.
Viel mehr gibt es auf der kleinen Insel im Indischen Ozean zu entdecken. Bevor ich mich den Freuden des Wassers und seiner Erlebnisse widme, zieht es mich in die Wälder. Denn die Organisation, deren Engagement auf Sansibar ich nun schon einige Male angetroffen habe, leistet auch in Bezug auf die Wälder einen wichtigen Beitrag, der für die Bevölkerung hilfreich und für die Besucher eine spannende Abwechslung zum Strandleben bedeutet. Wieder treffe ich eine Niederländerin, diesmal heißt sie Suzanne Degeling, die hier mit ihrem Team aus Einheimischen die „Kawa Foundation“ führt – auf einem 1,5 Hektar großen Areal, das sie 2023 erworben hat. Neben ihrem Projekt „BlueBikes“, bei dem sie Fahrradtouren über die Insel anbietet, ist das „Forest Protecion Projekt“ das nunmehr bedeutendere in Zusammenarbeit mit der TUI Care Foundation. Auf dem Gebiet wurden bislang 7000 Bäume gepflanzt. Bei einem spannenden Waldspaziergang entdecke ich die frisch gepflanzten Setzlinge entlang des Pfades, den ich nur mit einem erfahren Führer quer durch einen echten Dschungel beschreite. Ich höre tropische Vögel singen, der Urwald surrt, Affen kreischen in der Nähe in einer tiefen Schlucht. Denn nur auf Sansibar kommt der Stummelaffe vor, dessen Bestand stark bedroht ist. Gerade zum Sonnenuntergang fängt der Dschungel an zu leben. Atemberaubend, was ich als Gast hier entdecken kann. Und dann darf ich auch zur Tat schreiten. Denn was wäre ein Aufforstungsprogramm, wenn die Besucher nicht aktiv daran mitwirken dürften. Ich pflanze einen Baum an einer zugewiesenen Stelle und habe damit eine echte Verbindung zur Insel, aber auch einen natürlichen Beitrag zur Erhaltung der Umwelt auf Sansibar geleistet. Der Tag geht erfüllt für mich zu Ende.
Doch neben Sozialprojekten erfreue ich mich natürlich auch der meist genutzten Aktivität auf der Insel. Dem Schnorcheln, Baden vor der Küste und Sonnenbaden. Mit einem traditionellen Holz-Schoner, der mit Segel oder Motor betrieben werden kann, geht es hinaus. Ob das gut geht, denke ich mir? Vor der Küste im Süden der Insel geht es etwa fünf Kilometer aufs offene Meer hinaus. Das Schiff ist schnell und fängt die Wellen auf. Dann endlich geht es ins Wasser. Wer will, kann hier schnorcheln, und nach kurzer Einweisung wird man belohnt mit einem Blick unter die Wasseroberfläche, auf zahlreiche Korallenriffe. Hier tummeln sich Zebrafische, Clownfische, mit Glück auch gelbe Kofferfische. Auch Wasserschildkröten kann man entdecken. Die Korallen tragen eine braun-grüne Farbe. Sie strahlen nicht, wie man es von Korallen kennt. Vielleicht ein Ergebnis von zu viel Tourismus. Eine guter Grund, sich für den Erhalt der Küstengewässer einzusetzen. TUI Care Foundation tut dies bereits in anderen Ländern, vielleicht auch hier in Zukunft, geht es mir durch den Kopf. Mit etwas Glück sehe ich über Wasser auch Tümmler. Das Meer ist hier kristallklar und hellblau, wie es in keinem Reisekatalog besser abgebildet werden könnte. Frischer Fisch und Meeresfrüchte erwarten mich mittags auf einer Sandbank namens Kwale Island. Ein echtes Badeparadies, das von den auf Sansibar intensiv stattfindenden Gezeiten geprägt ist. Konnten wir die Insel noch zu Fuß vom Schiff aus auf den letzten hundert Metern erreichen, so werden wir nach zwei Stunden bereits mit einem Boot zurück gebracht, da die Flut bis an das Inselufer herangekommen ist. Warm wie ein Thermalbad ist das Wasser, aber nur knöcheltief direkt am Ufer.
Völlig entspannt und doch erfüllt von den vielfältigen Erlebnissen auf der Insel trete ich nach einigen Tagen den langen Rückflug von fast 11 Stunden in die Heimat an. Viel habe ich erlebt. Noch mehr ließe sich entdecken. Zum Beispiel kann man den Inselaufenthalt mit einer mehrtägigen Safari in der Serengeti auf dem nahen Festland verbinden. Man kann auf dem Wasser zu Expeditionen aufbrechen, um den Buckelwal und andere Meeressäuger zu entdecken. Auch Radtouren oder Wanderungen über die Insel sind möglich. All das ruft nach einer Wiederkehr in das kleine Paradies Sansibar vor der tansanischen Küste. Vor allem im europäischen Winter. Denn hier ist es das ganze Jahr warm.
Autor: Philip Duckwitz
Diese Reise wurde realisiert mit freundlicher Unterstützung der TUI Care Foundation
© Fotos: Duckwitz, Flechtner
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