Was hat die Produzenten der Fantasy-Serie „Game of Thrones“ wohl dazu bewogen, einige Drehorte rund um die märchenhafte Saga genau hier zu suchen? Immer wenn es gilt, schroffe Felsen, einen tobenden Atlantik oder die Weite einer grünen Sagen-Landschaft ins Bild zu rücken, greifen die Macher der Serie auf die Szenerie im Norden Irlands zurück. Und tatsächlich: die Landschaft zwischen Belfast und Derry/Londonderry ist phantastisch.
Von dem Serien-Spektakel motiviert, brechen viele begeisterte „Game of Thrones“-Junkies in Bussen auf und lassen sich teilweise in Ritter- und Feen-Outfits an den Drehorten fotografieren. Wer jedoch ohne Helm und Drachenbegleitung eine grandiose Küstenstraße bereisen möchte, dem sei die Causeway Coastal Route ans Herz gelegt. Es ist eine Küstenstraße mit Traum-Panoramen, die sich über knapp 200 Kilometer von Belfast nach Derry/Londonderry durch malerische Hafenorte schlängelt. Sie kann ohne Übertreibung als eine der schönsten Küstenstraßen Europas bezeichnet werden. Anders als beispielsweise am „Ring of Kerry“ fährt man nicht Geduldsrennen gegen Wohnmobile und Bustouristen. Ganz im Gegenteil, als ich Belfast in Richtung Norden verlasse, dauert es nicht lange, bis die Natur mich mit Ruhe und Seeluft empfängt. Ich passiere auf der Küstenstraße die Normannenburg Carrickfergus und trinke wenig später in Orten wie Ballygally oder Cushendall, die wahrlich nach irischer See klingen, einen Kaffee. Ein Tipp: In Glenariff sollte man seine Autofahrt für eine Wanderpause unterbrechen, denn die benachbarten „Glens of Antrim“ lehren den Besucher Demut: Neun tief eingeschnittene Täler mit Bächen, Wasserfällen, ausgebauten Wanderwegen und phantastischen Aussichtspunkten fordern regelrecht einen Aufenthalt im Grünen.
Die Produzenten der „Game of Thrones“-Reihe erkannten in der Vielfalt der Landschaft eine ideale Kulisse für die Abenteuerwelt ihrer Helden. Und spätestens bei einem ausgedehnten Spaziergang unter dem Blätterdach der imposanten Buchen der vielbesungenen „Dark Hedges“ verschwinden die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Die Stuart Familie pflanzte die ersten Bäume schon im 18. Jahrhundert als Sichtachse auf ihr Anwesen „The Gracehill House“. Mittlerweile sind die „Dark Hedges“ wohl eine der am meisten fotografierten Natur-Schönheiten in ganz Nordirland. Keine fünfzehn Kilometer von den magischen Buchen entfernt, trifft man auf die Fußspuren von Giganten: Der Giant´s Causeway mutet an wie Fußabdrücke eines Riesen, der sich schnellen Schrittes aufgemacht hat, um Schottland in sechs Sprüngen zu erreichen. In Wirklichkeit sind die gleichmäßig geformten, sechseckigen Basaltsäulen durch langsames Abkühlen von Lavasträngen entstanden. Die UNESCO Welt-erbestätte besteht aus mehr als 40.000 solcher Säulen und mäandert wie ein breiter Fluss aus Gestein den Berg hinunter bis ins offene Meer. Allerdings ist die irische Sage, dass der Riese Fionn Mac Cumhaill diese Spur als Dammbau nach Schottland gelegt habe, wesentlich prosaischer und schöner. Die Basaltsteinformationen sind von verschiedenen Perspektiven des Küstenwanderweges aus zu bewundern.
Das dazugehörige Besucherzentrum erzählt den jungen Besuchern in knalligen Comic-Filmen vom wüsten Leben des Giganten Finn – und den etwas älteren Interessierten von den geologischen Besonderheiten dieses lokalen Lavasteins. Keine fünfzehn Minuten Fahrzeit entfernt, offenbart sich mit der „Carrick-a-Rede Rope Bridge“ die nächste Herausforderung. Die kleine Insel Carrick-a-Rede heißt schlicht ins Deutsche übertragen „Fels im Weg“. Hier mussten die Lachsschwärme auf ihrem Weg zu den Laichgründen zwischen Festland und Fels schwimmen – und wurden so zur leichten Beute für lokale Fischer. Die Voraussetzung war eine enge Verbindung zur kleinen Insel; und diese Verbindung war eine Hängebrücke, die Rope Bridge. Was früher eine schlichte Seilkonstruktion mit ein paar unregelmäßig vertäuten Brettern war, ist heute eine stabil anmutende Hängebrücke. Es müssen letztendlich nur 20 Meter überbrückt werden, aber 20 Meter in 30 Metern Höhe lassen so manchen tapferen Touristen sein Herz laut und deutlich hören. Allerdings lohnt die Überwindung, denn auf der kleinen Insel umkreisen den Mutigen mit etwas Glück Papageientaucher und Trottellummen. Spätestens jetzt ist man eingestimmt auf die Kraft der Natur auf der Causeway Coastal Route. Die weiteren Ziele Portrush und Portstewart glänzen mit traumhaften Stränden und idealen Wetterverhältnissen für Surfer und Segler.
Diese dürfen sogar mit ihrem Fahrzeug direkt an den Strand fahren. Nicht selten sieht man Kids mit den SUVs der ahnungslosen Väter ihre Schleifen in den Strand fahren, irgendwann anhalten und den Neoprenanzug überstreifen, um sich anschließend mit ihrem Brett in die tosende See zu stürzen. Nicht von ungefähr hat der „Lonely Planet“ diese Küstenregion zu einem Top-Reiseziel erklärt, denn wo sonst noch genießt man das angenehme Leben in rauer Seeluft in derart unterschiedlichen Varianten. Selbstredend trifft man neben den Annehmlichkeiten des Strand- und Surferlebens immer wieder auf Schätze der Vergangenheit wie mittelalterliche Kirchen und Burgen. Ein Highlight auf der Tour stellt das Dunluce Castle bei Portrush dar. Es wurde im Wechselspiel der Macht mal vom McQuillan- und mal vom McDonnell Clan gehalten. Das Schloss erzählt im Inneren nicht nur den „Game of Thrones“-Anhängern die Geschichte des realen Thronkampfes ...
Wer irgendwann der imposanten Natur und der Machtkämpfe müde ist, sollte eine längere Verschnaufpause in Bushmills einlegen. In der gleichnamigen Destille wird seit 1784 Whiskey produziert und gelebt. Es empfiehlt sich, an einer der regelmäßigen Touren teilzunehmen. Denn meist wird man von einem erfahrenen Mitarbeiter in einer sehr kleinen Gruppe kenntnisreich durch die Anlage geführt. Fragen sind ausdrücklich erwünscht – aber spätestens beim abschließenden Whiskey-Tasting sollte klar sein, dass der erfolgreichste Getränke-Tester nicht mehr hinter das Steuer darf. Wieder nüchtern, bietet es sich an, das letzte Teilstück der Tour so zu legen, dass man am Nachmittag Derry oder Londonderry erreicht.
Und so erreiche auch ich Nordirlands zweitgrößte Stadt im warmen Licht des Nachmittags und werde von der Peace Bridge, die die ehemals verfeindeten Stadtviertel verbindet, in Empfang genommen. Derry/Londonderry teilt mit Belfast ein vergleichbares Schicksal. In beiden Städten kam es während der sogenannten „Troubles“ zu Gefechten zwischen den beiden Lagern der Protestanten und Katholiken. Der „Bloody Sunday“ aus dem Jahr 1972, als britische Soldaten ohne Vorwarnung in einen Demonstrationszug schossen, scheint sich tief in die DNA der lokalen Bevölkerung gegraben zu haben. Vielerorts finden sich Denkmäler und Wandbilder, die sich mit der traurigen Thematik dieser Zeit beschäftigen.
Umso versöhnlicher ist es, auf der Stadtmauer der „Wallet City“ eine Runde zu gehen. Anschließend gibt es in Dutzenden von Pubs ausreichend Gelegenheit, die Erlebnisse der Tour Revue passieren zu lassen. Für mich gibt es im Peadar O`Donnells das cremigste Guinness außerhalb Dublins – und, wenn man am Wochenende reinkommt, die beste Livemusik der ganzen Stadt. Derry/Londonderry macht es seinen Besuchern leicht, es hat von der Größe her Stadtcharakter – aber ohne sich stressig und laut zu präsentieren. Die Atmosphäre der Stadt unweit des Meeres spiegelt viel mehr das ideale Finale des Causeways wider; der Übergang vom Küstenwanderweg hin zur legendären Peace Bridge gestaltet sich fließend und bildet den idealen Schlusspunkt einer ereignisreichen Tour. Darauf ein Guinness.
Autor: Wolfgang Siesing
© Fotos: Ireland Tourism Board, Wolfgang Siesing
Was hat die Produzenten der Fantasy-Serie „Game of Thrones“ wohl dazu bewogen, einige Drehorte rund um die märchenhafte Saga genau hier zu suchen? Immer wenn es gilt, schroffe Felsen, einen tobenden Atlantik oder die Weite einer grünen Sagen-Landschaft ins Bild zu rücken, greifen die Macher der Serie auf die Szenerie im Norden Irlands zurück. Und tatsächlich: die Landschaft zwischen Belfast und Derry/Londonderry ist phantastisch.
Von dem Serien-Spektakel motiviert, brechen viele begeisterte „Game of Thrones“-Junkies in Bussen auf und lassen sich teilweise in Ritter- und Feen-Outfits an den Drehorten fotografieren. Wer jedoch ohne Helm und Drachenbegleitung eine grandiose Küstenstraße bereisen möchte, dem sei die Causeway Coastal Route ans Herz gelegt. Es ist eine Küstenstraße mit Traum-Panoramen, die sich über knapp 200 Kilometer von Belfast nach Derry/Londonderry durch malerische Hafenorte schlängelt. Sie kann ohne Übertreibung als eine der schönsten Küstenstraßen Europas bezeichnet werden. Anders als beispielsweise am „Ring of Kerry“ fährt man nicht Geduldsrennen gegen Wohnmobile und Bustouristen. Ganz im Gegenteil, als ich Belfast in Richtung Norden verlasse, dauert es nicht lange, bis die Natur mich mit Ruhe und Seeluft empfängt. Ich passiere auf der Küstenstraße die Normannenburg Carrickfergus und trinke wenig später in Orten wie Ballygally oder Cushendall, die wahrlich nach irischer See klingen, einen Kaffee. Ein Tipp: In Glenariff sollte man seine Autofahrt für eine Wanderpause unterbrechen, denn die benachbarten „Glens of Antrim“ lehren den Besucher Demut: Neun tief eingeschnittene Täler mit Bächen, Wasserfällen, ausgebauten Wanderwegen und phantastischen Aussichtspunkten fordern regelrecht einen Aufenthalt im Grünen.
Die Produzenten der „Game of Thrones“-Reihe erkannten in der Vielfalt der Landschaft eine ideale Kulisse für die Abenteuerwelt ihrer Helden. Und spätestens bei einem ausgedehnten Spaziergang unter dem Blätterdach der imposanten Buchen der vielbesungenen „Dark Hedges“ verschwinden die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Die Stuart Familie pflanzte die ersten Bäume schon im 18. Jahrhundert als Sichtachse auf ihr Anwesen „The Gracehill House“. Mittlerweile sind die „Dark Hedges“ wohl eine der am meisten fotografierten Natur-Schönheiten in ganz Nordirland. Keine fünfzehn Kilometer von den magischen Buchen entfernt, trifft man auf die Fußspuren von Giganten: Der Giant´s Causeway mutet an wie Fußabdrücke eines Riesen, der sich schnellen Schrittes aufgemacht hat, um Schottland in sechs Sprüngen zu erreichen. In Wirklichkeit sind die gleichmäßig geformten, sechseckigen Basaltsäulen durch langsames Abkühlen von Lavasträngen entstanden. Die UNESCO Welt-erbestätte besteht aus mehr als 40.000 solcher Säulen und mäandert wie ein breiter Fluss aus Gestein den Berg hinunter bis ins offene Meer. Allerdings ist die irische Sage, dass der Riese Fionn Mac Cumhaill diese Spur als Dammbau nach Schottland gelegt habe, wesentlich prosaischer und schöner. Die Basaltsteinformationen sind von verschiedenen Perspektiven des Küstenwanderweges aus zu bewundern.
Das dazugehörige Besucherzentrum erzählt den jungen Besuchern in knalligen Comic-Filmen vom wüsten Leben des Giganten Finn – und den etwas älteren Interessierten von den geologischen Besonderheiten dieses lokalen Lavasteins. Keine fünfzehn Minuten Fahrzeit entfernt, offenbart sich mit der „Carrick-a-Rede Rope Bridge“ die nächste Herausforderung. Die kleine Insel Carrick-a-Rede heißt schlicht ins Deutsche übertragen „Fels im Weg“. Hier mussten die Lachsschwärme auf ihrem Weg zu den Laichgründen zwischen Festland und Fels schwimmen – und wurden so zur leichten Beute für lokale Fischer. Die Voraussetzung war eine enge Verbindung zur kleinen Insel; und diese Verbindung war eine Hängebrücke, die Rope Bridge. Was früher eine schlichte Seilkonstruktion mit ein paar unregelmäßig vertäuten Brettern war, ist heute eine stabil anmutende Hängebrücke. Es müssen letztendlich nur 20 Meter überbrückt werden, aber 20 Meter in 30 Metern Höhe lassen so manchen tapferen Touristen sein Herz laut und deutlich hören. Allerdings lohnt die Überwindung, denn auf der kleinen Insel umkreisen den Mutigen mit etwas Glück Papageientaucher und Trottellummen. Spätestens jetzt ist man eingestimmt auf die Kraft der Natur auf der Causeway Coastal Route. Die weiteren Ziele Portrush und Portstewart glänzen mit traumhaften Stränden und idealen Wetterverhältnissen für Surfer und Segler.
Diese dürfen sogar mit ihrem Fahrzeug direkt an den Strand fahren. Nicht selten sieht man Kids mit den SUVs der ahnungslosen Väter ihre Schleifen in den Strand fahren, irgendwann anhalten und den Neoprenanzug überstreifen, um sich anschließend mit ihrem Brett in die tosende See zu stürzen. Nicht von ungefähr hat der „Lonely Planet“ diese Küstenregion zu einem Top-Reiseziel erklärt, denn wo sonst noch genießt man das angenehme Leben in rauer Seeluft in derart unterschiedlichen Varianten. Selbstredend trifft man neben den Annehmlichkeiten des Strand- und Surferlebens immer wieder auf Schätze der Vergangenheit wie mittelalterliche Kirchen und Burgen. Ein Highlight auf der Tour stellt das Dunluce Castle bei Portrush dar. Es wurde im Wechselspiel der Macht mal vom McQuillan- und mal vom McDonnell Clan gehalten. Das Schloss erzählt im Inneren nicht nur den „Game of Thrones“-Anhängern die Geschichte des realen Thronkampfes ...
Wer irgendwann der imposanten Natur und der Machtkämpfe müde ist, sollte eine längere Verschnaufpause in Bushmills einlegen. In der gleichnamigen Destille wird seit 1784 Whiskey produziert und gelebt. Es empfiehlt sich, an einer der regelmäßigen Touren teilzunehmen. Denn meist wird man von einem erfahrenen Mitarbeiter in einer sehr kleinen Gruppe kenntnisreich durch die Anlage geführt. Fragen sind ausdrücklich erwünscht – aber spätestens beim abschließenden Whiskey-Tasting sollte klar sein, dass der erfolgreichste Getränke-Tester nicht mehr hinter das Steuer darf. Wieder nüchtern, bietet es sich an, das letzte Teilstück der Tour so zu legen, dass man am Nachmittag Derry oder Londonderry erreicht.
Und so erreiche auch ich Nordirlands zweitgrößte Stadt im warmen Licht des Nachmittags und werde von der Peace Bridge, die die ehemals verfeindeten Stadtviertel verbindet, in Empfang genommen. Derry/Londonderry teilt mit Belfast ein vergleichbares Schicksal. In beiden Städten kam es während der sogenannten „Troubles“ zu Gefechten zwischen den beiden Lagern der Protestanten und Katholiken. Der „Bloody Sunday“ aus dem Jahr 1972, als britische Soldaten ohne Vorwarnung in einen Demonstrationszug schossen, scheint sich tief in die DNA der lokalen Bevölkerung gegraben zu haben. Vielerorts finden sich Denkmäler und Wandbilder, die sich mit der traurigen Thematik dieser Zeit beschäftigen.
Umso versöhnlicher ist es, auf der Stadtmauer der „Wallet City“ eine Runde zu gehen. Anschließend gibt es in Dutzenden von Pubs ausreichend Gelegenheit, die Erlebnisse der Tour Revue passieren zu lassen. Für mich gibt es im Peadar O`Donnells das cremigste Guinness außerhalb Dublins – und, wenn man am Wochenende reinkommt, die beste Livemusik der ganzen Stadt. Derry/Londonderry macht es seinen Besuchern leicht, es hat von der Größe her Stadtcharakter – aber ohne sich stressig und laut zu präsentieren. Die Atmosphäre der Stadt unweit des Meeres spiegelt viel mehr das ideale Finale des Causeways wider; der Übergang vom Küstenwanderweg hin zur legendären Peace Bridge gestaltet sich fließend und bildet den idealen Schlusspunkt einer ereignisreichen Tour. Darauf ein Guinness.
Autor: Wolfgang Siesing
© Fotos: Ireland Tourism Board, Wolfgang Siesing
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