Vor das Urlaubsglück haben die Götter den Instructor gesetzt. Jedenfalls, wenn es um eine Tour in einem gemieteten Hausboot geht. In unserem Fall heißt der Instructor Shane, ein smarter junger Typ. Freundlich empfängt er uns in Quigley’s Marina, Killinure-Point, am Shannon River in Irland. Es ist der Heimathafen der Locaboat-Flotte auf der grünen Insel.
Unser schwimmendes Zuhause für die vor uns liegende Woche heißt „Castlefore“, was irgendwie robust und beschützend klingt. Und Shane erklärt uns dessen Handhabung in einer Art Crash-Kurs. Was wir wiederum nicht wörtlich nehmen sollen. „Ein Boot zu navigieren, ist viel einfacher als Autofahren“, versichert unser Instructor. Es gebe schließlich nur das Steuerrad und einen verchromten Bedienungshebel.
Shane: „Hebel nach vorn – fahren. Hebel weit nach vorn – schnell fahren. Hebel zurück …“ Wir ahnen es: Das Boot bremst, bleibt stehen, fährt zurück. Allerdings in eine Richtung, die so gar nicht gewollt war. Wir merken: Nicht Schalten, sondern Steuern stellt das Problem für den angehenden Skipper dar. Ja, als Laie wundert man sich, wie schwierig es ist, mit einem Boot geradeaus zu fahren. Da bekommt „Kreuzfahrt“ plötzlich eine völlig neue Bedeutung …
Im Zickzack-Kurs geht es also raus ins Lough Ree. Loughs werden in Irland die Stellen im Shannon River genannt, wo sich der Fluss zu einem See verbreitert. Hier ist das Wasser
kabbelig, die Vielzahl an kleinen Inseln verwirrend. Und an den Ufern gibt es diverse Untiefen. Zum Glück haben wir eine gute Seekarte an Bord, in der die Fahrrinne verzeichnet ist. „Wenn ihr flussabwärts fahrt, müssen die roten Markierungen rechter Hand sein, die grünen links“, erklärt Shane. „Flussaufwärts ist es dann umgekehrt.“ Alles klar.
Zurück in der Marina – das erste Anlegemanöver klappt dank der Hilfe des Instructors erstaunlich gut – beschließen wir, den Start unserer Shannon-Tour auf den nächsten Tag zu verschieben. Der heutige war ereignisreich genug.
Frühflug von Hamburg nach Dublin, Überlandfahrt mit dem Fernbus nach Athlone, Taxi-Transfer, Einrichten auf dem Boot, Probefahrt.
Wir machen einen kurzen Spaziergang, gehen in das uns empfohlene Restaurant. Eine gute Entscheidung. Hier in den Killinure Chalets wird mir das wohl beste Steak meines Lebens serviert. Es ist saftig, zart und reicht über den Tellerrand hinaus. Dazu ein dunkles Starkbier – wir sind in Irland angekommen.
Und dann beginnt das Abenteuer. Auf dem Lough Ree biegen wir links ab, nehmen Kurs in südlicher Richtung, passieren die charmante Kleinstadt Athlone, deren Besuch wir uns für die Rückfahrt vorbehalten. Und stehen vor unserer ersten echten navigatorischen Herausforderung: eine Schleuse. Davon gibt es im Shannon River deutlich weniger als beispielsweise auf dem Canal de Bourgogne. Umso mehr macht die Strömung des Flusses das Warten, bis die Tore geöffnet werden, etwas knifflig. Eine echte Herausforderung.
Geschafft! Nun cruisen wir entspannt mit etwa sieben Kilometern pro Stunde der Sonne entgegen. Und freuen uns, dass unser Locaboat über eine sogenannte Flying Bridge verfügt – einen zweiten Steuerstand oben auf der Aussichtsplattform. Wir genießen den Blick über die saftig grünen Weiden zu beiden Seiten und auf den mäandernden Fluss voraus. Der Weg ist das Ziel. Und mit jeder Meile wird unsere Entschleunigung spürbarer.
Gegen Mittag legen wir einen Stopp in Clonmacnoise ein. Später wird man uns immer wieder fragen, ob wir dort gewesen sind. Clonmacnoise gilt als das kulturelle Highlight entlang unserer Route. Wir besuchen die Ruinen des Klosters, wandeln zwischen Zeugnissen aus 1.500 Jahren wechselvoller Geschichte, bestaunen Keltenkreuze, mächtige Mauern, die Reste des Doms. Und würden uns nicht wundern, wenn plötzlich schweigende Mönche oder normannische Krieger auftauchen würden.
Das historische Irland fasziniert. Ebenso wie das lebendige der Gegenwart. Am Abend machen wir Station in Shannonbridge, schlendern nach kurzer Besichtigung des alten Forts am Westufer des Shannon die Main Street hinunter und landen im local Pub. Killeens. Die Kneipe ist gut besucht. Das Guinness fließt in Strömen, der Single Malt Whiskey in Maßen. Rings um den Tresen sind Hunderte von Visitenkarten angepinnt. Souvenirs von Gästen aus aller Welt – u. a. Toronto, Auckland und Köln.
„Neu hier?“ Als der Wirt unsere Bestellung entgegen nimmt, legt er ein Puzzle vor uns hin. Nur wenige Teile, aber echt vertrackt. Die umstehenden Gäste drängt es, uns Tipps zu geben. Und schon sind wir miteinander im Gespräch. Woher wir kommen, wohin wir wollen, über die Europäische Gemeinschaft, Irland als Steuerparadies für Apple, über das Leben im allgemeinen und im besonderen.
Es ist 22 Uhr durch, aber von „last orders, please!“ überhaupt keine Rede. Im Gegenteil. Ein Musiker packt plötzlich seine Gitarre aus, ein zweiter seine Geige. Eine junge Frau macht mit ihrer Tinwhistle das Duo zum Trio. Jemand schnappt sich eine Bodhrán – eine irische Trommel – und schlägt damit den Rhythmus. Und jeder im Pub, der halbwegs textsicher ist, stimmt mit ein. Nicht unbedingt konzertreif, aber absolut authentisch. Gänsehaut-Feeling.
Am nächsten Tag, auf dem Lough Derg, haben wir Pech: Der Himmel verfinstert sich. Es stürmt. Und schüttet wie aus Eimern. Zugleich haben wir Glück. Das Boot vor uns, dessen Positionslampen wir vertrauensvoll folgen, steuert offenbar den Hafen an, der auch unser Ziel ist. Terryglass. Ein idyllischer kleiner Ort, schon mehrfach ausgezeichnet als „Irlands sauberstes Dorf“, mit zwei historischen Brunnen und ebenso vielen Pubs. Was angesichts der wenigen Häuser einer sehr hohen Kneipendichte entspricht.
„Nice weather for ducks, right?“, lautet die Standard-Gesprächseröffnung an diesem Tag. Ja, schönes Wetter für Enten. Und jemand erklärt uns: „In Irland haben wir vier unterschiedliche Jahreszeiten. Manchmal sogar an einem einzigen Tag…“.
Auf dem Rückweg unserer Bootstour – mit Zwischenstopps in Portumna und Banagher – machen wir einen Abstecher ins Städtchen Ballinasloe, am River Suck gelegen. Dieser Nebenfluss ist deutlich schmaler als der Shannon, hat engere Kurven, bietet mehr Nähe zur Natur. Interessiert schauen Kühe und Schafe am Ufer zu, wie wir den Slalom durch die roten und grünen Markierungen bewältigen. Reiher fliegen meckernd davon, wunderschöne Schwäne geben uns Geleit.
Nach sieben Tagen Kreuzfahrt sind wir zurück am Killinure Point, unserem Heimathafen.
Und so erholt, als hätten wir gerade einen ganzen Monat Urlaub hinter uns. Was bleiben wird, ist die Erinnerung an eine sehr beruhigend wirkende, wunderbar grüne Landschaft, an überaus freundliche, humorvolle Menschen und an zauberhafte historische Kulturstätten. Es ist nicht auszuschließen, dass wir irgendwann erneut nach Irland reisen. Die Sonnencreme werden wir dann aber zu Hause lassen…
Autor: Raimond Ahlborn
© Fotos: Tourism Ireland, Locaboat Plaisance GmbH, Raimond Ahlborn
Vor das Urlaubsglück haben die Götter den Instructor gesetzt. Jedenfalls, wenn es um eine Tour in einem gemieteten Hausboot geht. In unserem Fall heißt der Instructor Shane, ein smarter junger Typ. Freundlich empfängt er uns in Quigley’s Marina, Killinure-Point, am Shannon River in Irland. Es ist der Heimathafen der Locaboat-Flotte auf der grünen Insel.
Unser schwimmendes Zuhause für die vor uns liegende Woche heißt „Castlefore“, was irgendwie robust und beschützend klingt. Und Shane erklärt uns dessen Handhabung in einer Art Crash-Kurs. Was wir wiederum nicht wörtlich nehmen sollen. „Ein Boot zu navigieren, ist viel einfacher als Autofahren“, versichert unser Instructor. Es gebe schließlich nur das Steuerrad und einen verchromten Bedienungshebel.
Shane: „Hebel nach vorn – fahren. Hebel weit nach vorn – schnell fahren. Hebel zurück …“ Wir ahnen es: Das Boot bremst, bleibt stehen, fährt zurück. Allerdings in eine Richtung, die so gar nicht gewollt war. Wir merken: Nicht Schalten, sondern Steuern stellt das Problem für den angehenden Skipper dar. Ja, als Laie wundert man sich, wie schwierig es ist, mit einem Boot geradeaus zu fahren. Da bekommt „Kreuzfahrt“ plötzlich eine völlig neue Bedeutung …
Im Zickzack-Kurs geht es also raus ins Lough Ree. Loughs werden in Irland die Stellen im Shannon River genannt, wo sich der Fluss zu einem See verbreitert. Hier ist das Wasser
kabbelig, die Vielzahl an kleinen Inseln verwirrend. Und an den Ufern gibt es diverse Untiefen. Zum Glück haben wir eine gute Seekarte an Bord, in der die Fahrrinne verzeichnet ist. „Wenn ihr flussabwärts fahrt, müssen die roten Markierungen rechter Hand sein, die grünen links“, erklärt Shane. „Flussaufwärts ist es dann umgekehrt.“ Alles klar.
Zurück in der Marina – das erste Anlegemanöver klappt dank der Hilfe des Instructors erstaunlich gut – beschließen wir, den Start unserer Shannon-Tour auf den nächsten Tag zu verschieben. Der heutige war ereignisreich genug.
Frühflug von Hamburg nach Dublin, Überlandfahrt mit dem Fernbus nach Athlone, Taxi-Transfer, Einrichten auf dem Boot, Probefahrt.
Wir machen einen kurzen Spaziergang, gehen in das uns empfohlene Restaurant. Eine gute Entscheidung. Hier in den Killinure Chalets wird mir das wohl beste Steak meines Lebens serviert. Es ist saftig, zart und reicht über den Tellerrand hinaus. Dazu ein dunkles Starkbier – wir sind in Irland angekommen.
Und dann beginnt das Abenteuer. Auf dem Lough Ree biegen wir links ab, nehmen Kurs in südlicher Richtung, passieren die charmante Kleinstadt Athlone, deren Besuch wir uns für die Rückfahrt vorbehalten. Und stehen vor unserer ersten echten navigatorischen Herausforderung: eine Schleuse. Davon gibt es im Shannon River deutlich weniger als beispielsweise auf dem Canal de Bourgogne. Umso mehr macht die Strömung des Flusses das Warten, bis die Tore geöffnet werden, etwas knifflig. Eine echte Herausforderung.
Geschafft! Nun cruisen wir entspannt mit etwa sieben Kilometern pro Stunde der Sonne entgegen. Und freuen uns, dass unser Locaboat über eine sogenannte Flying Bridge verfügt – einen zweiten Steuerstand oben auf der Aussichtsplattform. Wir genießen den Blick über die saftig grünen Weiden zu beiden Seiten und auf den mäandernden Fluss voraus. Der Weg ist das Ziel. Und mit jeder Meile wird unsere Entschleunigung spürbarer.
Gegen Mittag legen wir einen Stopp in Clonmacnoise ein. Später wird man uns immer wieder fragen, ob wir dort gewesen sind. Clonmacnoise gilt als das kulturelle Highlight entlang unserer Route. Wir besuchen die Ruinen des Klosters, wandeln zwischen Zeugnissen aus 1.500 Jahren wechselvoller Geschichte, bestaunen Keltenkreuze, mächtige Mauern, die Reste des Doms. Und würden uns nicht wundern, wenn plötzlich schweigende Mönche oder normannische Krieger auftauchen würden.
Das historische Irland fasziniert. Ebenso wie das lebendige der Gegenwart. Am Abend machen wir Station in Shannonbridge, schlendern nach kurzer Besichtigung des alten Forts am Westufer des Shannon die Main Street hinunter und landen im local Pub. Killeens. Die Kneipe ist gut besucht. Das Guinness fließt in Strömen, der Single Malt Whiskey in Maßen. Rings um den Tresen sind Hunderte von Visitenkarten angepinnt. Souvenirs von Gästen aus aller Welt – u. a. Toronto, Auckland und Köln.
„Neu hier?“ Als der Wirt unsere Bestellung entgegen nimmt, legt er ein Puzzle vor uns hin. Nur wenige Teile, aber echt vertrackt. Die umstehenden Gäste drängt es, uns Tipps zu geben. Und schon sind wir miteinander im Gespräch. Woher wir kommen, wohin wir wollen, über die Europäische Gemeinschaft, Irland als Steuerparadies für Apple, über das Leben im allgemeinen und im besonderen.
Es ist 22 Uhr durch, aber von „last orders, please!“ überhaupt keine Rede. Im Gegenteil. Ein Musiker packt plötzlich seine Gitarre aus, ein zweiter seine Geige. Eine junge Frau macht mit ihrer Tinwhistle das Duo zum Trio. Jemand schnappt sich eine Bodhrán – eine irische Trommel – und schlägt damit den Rhythmus. Und jeder im Pub, der halbwegs textsicher ist, stimmt mit ein. Nicht unbedingt konzertreif, aber absolut authentisch. Gänsehaut-Feeling.
Am nächsten Tag, auf dem Lough Derg, haben wir Pech: Der Himmel verfinstert sich. Es stürmt. Und schüttet wie aus Eimern. Zugleich haben wir Glück. Das Boot vor uns, dessen Positionslampen wir vertrauensvoll folgen, steuert offenbar den Hafen an, der auch unser Ziel ist. Terryglass. Ein idyllischer kleiner Ort, schon mehrfach ausgezeichnet als „Irlands sauberstes Dorf“, mit zwei historischen Brunnen und ebenso vielen Pubs. Was angesichts der wenigen Häuser einer sehr hohen Kneipendichte entspricht.
„Nice weather for ducks, right?“, lautet die Standard-Gesprächseröffnung an diesem Tag. Ja, schönes Wetter für Enten. Und jemand erklärt uns: „In Irland haben wir vier unterschiedliche Jahreszeiten. Manchmal sogar an einem einzigen Tag…“.
Auf dem Rückweg unserer Bootstour – mit Zwischenstopps in Portumna und Banagher – machen wir einen Abstecher ins Städtchen Ballinasloe, am River Suck gelegen. Dieser Nebenfluss ist deutlich schmaler als der Shannon, hat engere Kurven, bietet mehr Nähe zur Natur. Interessiert schauen Kühe und Schafe am Ufer zu, wie wir den Slalom durch die roten und grünen Markierungen bewältigen. Reiher fliegen meckernd davon, wunderschöne Schwäne geben uns Geleit.
Nach sieben Tagen Kreuzfahrt sind wir zurück am Killinure Point, unserem Heimathafen.
Und so erholt, als hätten wir gerade einen ganzen Monat Urlaub hinter uns. Was bleiben wird, ist die Erinnerung an eine sehr beruhigend wirkende, wunderbar grüne Landschaft, an überaus freundliche, humorvolle Menschen und an zauberhafte historische Kulturstätten. Es ist nicht auszuschließen, dass wir irgendwann erneut nach Irland reisen. Die Sonnencreme werden wir dann aber zu Hause lassen…
Autor: Raimond Ahlborn
© Fotos: Tourism Ireland, Locaboat Plaisance GmbH, Raimond Ahlborn
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