Anfangs ist da nur dieses Kitzeln. Aber plötzlich: eine Explosion! Im ganzen Mund. Ein Gläschen Champagner wirkt. Es lässt selbst müde Wanderer, die bereits beschlossen haben, heute nicht mehr in ihre Schuhe zu schlüpfen, eine Française auf dem Tisch tanzen. Ich bin unterwegs auf der Route Touristique du Champagne, möchte die Region nach Süden hin erkunden. Und außerdem alle Leckereien kosten, die Speise- und Weinkarten zu bieten haben.
Die Champagnerstraße hat eine Länge von rund 600 Kilometern und verläuft durch die Départments Aube und Marne. In fünf Etappen führt sie vorbei an Kulturdenkmälern und Aussichtspunkten. Geprägt ist die Landschaft von ihrem Weltbestseller: Weinberge bis zum Horizont. Doch der Schein trügt. Der weitaus größte Teil des Gebietes besteht aus Ackerland. Woraus sich auch der Name ableitet. Das französische „champs“ bedeutet auf Deutsch „Feld“.
Immer wieder tauchen kleine Winzerdörfer aus dem Nichts auf, versprühen verschwenderisch ihren Charme. Aufs Geratewohl klopfe ich an das Tor einer Winzerei. Freundlich öffnet mir ein älterer Mann, lädt mich spontan zu einer Degustation ein. Und ich bin echt erstaunt: An die 7.000 Flaschen Wein lagern da in einem Gewölbe unter der Erde ihrer Reife entgegen. Das dauert normalerweise an die 18 Monate. Manche Sorten reifen aber auch bis zu fünfzehn Jahre.
„Die aufwändige Herstellung erzeugt den Charakter eines Weines“, erklärt mir der freundliche Winzer. Der Grundwein vergärt in Stahltanks. Nach der ersten Gärung wird mit einem Gewächs früherer Jahre die Cuvée zusammengestellt. Erst dieser Mix birgt das Geheimnis des Geschmacks. Je nach gewünschtem Säuregrad wird mit Zuckersirup nachgewürzt. Einige Weinbauern in Aube bieten einen Degustations-Workshop an. Wer mag, lernt dort, wie er die einzelnen Noten herausschmecken kann.
Nur die Traubensorten Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier werden heute zu Champagner verarbeitet. Die eine Sorte liebt Feuchtigkeit, die andere einen kreidehaltigen Boden. So sind sie, die Weinpflanzen: sehr wählerisch. Wie die Konsumenten des fertigen Produktes.
Gewissermaßen erfunden wurde der Champagner im Jahr 1668. „Ich will den besten Wein der Welt kreieren“, sagte sich Pierre „Dom“ Pérignon, damals Kellermeister der Abtei Hautvillers. Und Pérignon schaffte, was niemand vor ihm vermochte. Er erzeugte einen Wein, der moussiert und dennoch klar bleibt.
Die namhaften Hersteller lagern ihre edlen Tropfen heute in Reims und in Épernay – so zum Beispiel Moët & Chandon und Taittinger. Degustationen für Touristen bieten fast alle großen Häuser an.
Ein besonderes Kleinod ist der Jahrgangs-Champagner. Dessen Geheimnis besteht in der Verarbeitung von Grundweinen eines Jahres – ohne Verschnitt mit früheren Jahr-gängen. Es müssen also hervorragende Trauben sein, die dafür gut genug sind.
Am nächsten Morgen, im Herzen von Reims, sehe ich sie sofort: die Grande Dame der Gotik, die Kathedrale Notre-Dame. Sie ist ein architektonisches Meisterwerk und wird „die Kirche der Engel“ genannt – so viele Statuen sind hier zu bestaunen. 1211 legte der Bau-meister den ersten Stein. 84 Jahre später war das Prunkstück fertig. Ab dem Mittelalter war die Kathedrale Schauplatz der Krönungen französischer Könige. Charles VII wurde 1429 sogar von Jeanne d´Arc begleitet.
Neben der Kathedrale befindet sich der Palais du Tau mit seinem fein ausstaffierten Bankettsaal – in dem die Könige nach ihrer Krönung vermutlich ordentlich feierten. Doch, was ist das? Ich sehe eine Gestalt im Halbdunkel der Kirche. Ist das nicht Dom Pérignon? Breitbeinig und grinsend steht er da. Als wolle er sagen: Das mach‘ mir erst mal einer nach! Bei genauem Hinsehen ist es jedoch der „lächelnde Engel“ – die bekannteste Statue im Inneren der Kathedrale. Vermutlich hat mir der Jahrgangs-Champagner vom Vorabend einen Streich gespielt…
Später, auf dem Place Drouet d´Erlon: Aus den vielen kleinen Restaurants und Bistros auf dem belebten Platz suche ich mir das hübscheste aus und bestelle eine Spezialität – mit Ardennen-Schinken gefüllte Forelle. Überhaupt, das Essen in der Champagne! Es ist eine Mélange aus traditionell bäuerlichen Gerichten und Speisen, die mit Schaumwein verfeinert werden. Und dann sind da noch die Einflüsse aus den umliegenden Regionen, zum Beispiel Elsässer Flammkuchen-Variationen und Schnecken aus dem Burgund.
Wer eine der renommiertesten Feinschmecker-Adressen in Frankreich besuchen möchte, geht in die Domaine Les Crayères. Das Schlosshotel ist ein Mythos. Es liegt diskret in einem sieben Hektar großen Park und bietet 600 verschiedene Champagner an.
Weiter geht‘s. Gotische Bauwerke sind ein Markenzeichen der Region. Allein in der mittelalterlichen Stadt Troyes gibt es zehn Kirchen, die unter Denkmalschutz stehen. Bekannt ist die Stadt für ihre bunten Glasfenster. Es herrscht eine heitere Atmosphäre und es macht Spaß, durch die kleinen Gassen und Innenhöfe zu streifen. Hellgrüne, rosafarbene und blaue Fassaden, reich an Fachwerk, sind ein Fest für die Augen. Von oben betrachtet, heißt es, soll der historische Kern von Troyes die Form eines Champagnerkorkens haben.
Der künstlich angelegte Lac d‘Orient liegt eingebettet in den Naturpark Forêt d‘Orient. Nach gut 20 Kilometern Autofahrt ab Troyes erreiche ich das Seeufer. Je nach Stimmung kann man am Strand faulenzen oder das Naturreservat erkunden.
Lieblich wirken die Eichenwälder hier im Süden. Ganz anders als die wilden, urtümlichen Ardennen im Norden. Von tausend kleinen Weihern und Heckenlandschaften durchzogen säumen sie die Ufer der drei großen Seen, die hier künstlich angelegt wurden. Auf jedem See kann man einer anderen Sportart nachgehen: Segeln, Kanufahren oder Angeln, Schwimmen und Tauchen.
Romantisch ist es, am Sandstrand ein gemietetes Boot zu kapern. Sie liegen da, als hätte sie jemand von oben fallen lassen und einfach vergessen. Und dann: Sich ganz entspannt treiben lassen und in den Abend träumen. Natürlich nicht ohne eine Flasche Champagner…
Autor: Annette Waldow
© Fotos: Maison de la France/Genaux, Oxley, Fabian Charaffi
Anfangs ist da nur dieses Kitzeln. Aber plötzlich: eine Explosion! Im ganzen Mund. Ein Gläschen Champagner wirkt. Es lässt selbst müde Wanderer, die bereits beschlossen haben, heute nicht mehr in ihre Schuhe zu schlüpfen, eine Française auf dem Tisch tanzen. Ich bin unterwegs auf der Route Touristique du Champagne, möchte die Region nach Süden hin erkunden. Und außerdem alle Leckereien kosten, die Speise- und Weinkarten zu bieten haben.
Die Champagnerstraße hat eine Länge von rund 600 Kilometern und verläuft durch die Départments Aube und Marne. In fünf Etappen führt sie vorbei an Kulturdenkmälern und Aussichtspunkten. Geprägt ist die Landschaft von ihrem Weltbestseller: Weinberge bis zum Horizont. Doch der Schein trügt. Der weitaus größte Teil des Gebietes besteht aus Ackerland. Woraus sich auch der Name ableitet. Das französische „champs“ bedeutet auf Deutsch „Feld“.
Immer wieder tauchen kleine Winzerdörfer aus dem Nichts auf, versprühen verschwenderisch ihren Charme. Aufs Geratewohl klopfe ich an das Tor einer Winzerei. Freundlich öffnet mir ein älterer Mann, lädt mich spontan zu einer Degustation ein. Und ich bin echt erstaunt: An die 7.000 Flaschen Wein lagern da in einem Gewölbe unter der Erde ihrer Reife entgegen. Das dauert normalerweise an die 18 Monate. Manche Sorten reifen aber auch bis zu fünfzehn Jahre.
„Die aufwändige Herstellung erzeugt den Charakter eines Weines“, erklärt mir der freundliche Winzer. Der Grundwein vergärt in Stahltanks. Nach der ersten Gärung wird mit einem Gewächs früherer Jahre die Cuvée zusammengestellt. Erst dieser Mix birgt das Geheimnis des Geschmacks. Je nach gewünschtem Säuregrad wird mit Zuckersirup nachgewürzt. Einige Weinbauern in Aube bieten einen Degustations-Workshop an. Wer mag, lernt dort, wie er die einzelnen Noten herausschmecken kann.
Nur die Traubensorten Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier werden heute zu Champagner verarbeitet. Die eine Sorte liebt Feuchtigkeit, die andere einen kreidehaltigen Boden. So sind sie, die Weinpflanzen: sehr wählerisch. Wie die Konsumenten des fertigen Produktes.
Gewissermaßen erfunden wurde der Champagner im Jahr 1668. „Ich will den besten Wein der Welt kreieren“, sagte sich Pierre „Dom“ Pérignon, damals Kellermeister der Abtei Hautvillers. Und Pérignon schaffte, was niemand vor ihm vermochte. Er erzeugte einen Wein, der moussiert und dennoch klar bleibt.
Die namhaften Hersteller lagern ihre edlen Tropfen heute in Reims und in Épernay – so zum Beispiel Moët & Chandon und Taittinger. Degustationen für Touristen bieten fast alle großen Häuser an.
Ein besonderes Kleinod ist der Jahrgangs-Champagner. Dessen Geheimnis besteht in der Verarbeitung von Grundweinen eines Jahres – ohne Verschnitt mit früheren Jahr-gängen. Es müssen also hervorragende Trauben sein, die dafür gut genug sind.
Am nächsten Morgen, im Herzen von Reims, sehe ich sie sofort: die Grande Dame der Gotik, die Kathedrale Notre-Dame. Sie ist ein architektonisches Meisterwerk und wird „die Kirche der Engel“ genannt – so viele Statuen sind hier zu bestaunen. 1211 legte der Bau-meister den ersten Stein. 84 Jahre später war das Prunkstück fertig. Ab dem Mittelalter war die Kathedrale Schauplatz der Krönungen französischer Könige. Charles VII wurde 1429 sogar von Jeanne d´Arc begleitet.
Neben der Kathedrale befindet sich der Palais du Tau mit seinem fein ausstaffierten Bankettsaal – in dem die Könige nach ihrer Krönung vermutlich ordentlich feierten. Doch, was ist das? Ich sehe eine Gestalt im Halbdunkel der Kirche. Ist das nicht Dom Pérignon? Breitbeinig und grinsend steht er da. Als wolle er sagen: Das mach‘ mir erst mal einer nach! Bei genauem Hinsehen ist es jedoch der „lächelnde Engel“ – die bekannteste Statue im Inneren der Kathedrale. Vermutlich hat mir der Jahrgangs-Champagner vom Vorabend einen Streich gespielt…
Später, auf dem Place Drouet d´Erlon: Aus den vielen kleinen Restaurants und Bistros auf dem belebten Platz suche ich mir das hübscheste aus und bestelle eine Spezialität – mit Ardennen-Schinken gefüllte Forelle. Überhaupt, das Essen in der Champagne! Es ist eine Mélange aus traditionell bäuerlichen Gerichten und Speisen, die mit Schaumwein verfeinert werden. Und dann sind da noch die Einflüsse aus den umliegenden Regionen, zum Beispiel Elsässer Flammkuchen-Variationen und Schnecken aus dem Burgund.
Wer eine der renommiertesten Feinschmecker-Adressen in Frankreich besuchen möchte, geht in die Domaine Les Crayères. Das Schlosshotel ist ein Mythos. Es liegt diskret in einem sieben Hektar großen Park und bietet 600 verschiedene Champagner an.
Weiter geht‘s. Gotische Bauwerke sind ein Markenzeichen der Region. Allein in der mittelalterlichen Stadt Troyes gibt es zehn Kirchen, die unter Denkmalschutz stehen. Bekannt ist die Stadt für ihre bunten Glasfenster. Es herrscht eine heitere Atmosphäre und es macht Spaß, durch die kleinen Gassen und Innenhöfe zu streifen. Hellgrüne, rosafarbene und blaue Fassaden, reich an Fachwerk, sind ein Fest für die Augen. Von oben betrachtet, heißt es, soll der historische Kern von Troyes die Form eines Champagnerkorkens haben.
Der künstlich angelegte Lac d‘Orient liegt eingebettet in den Naturpark Forêt d‘Orient. Nach gut 20 Kilometern Autofahrt ab Troyes erreiche ich das Seeufer. Je nach Stimmung kann man am Strand faulenzen oder das Naturreservat erkunden.
Lieblich wirken die Eichenwälder hier im Süden. Ganz anders als die wilden, urtümlichen Ardennen im Norden. Von tausend kleinen Weihern und Heckenlandschaften durchzogen säumen sie die Ufer der drei großen Seen, die hier künstlich angelegt wurden. Auf jedem See kann man einer anderen Sportart nachgehen: Segeln, Kanufahren oder Angeln, Schwimmen und Tauchen.
Romantisch ist es, am Sandstrand ein gemietetes Boot zu kapern. Sie liegen da, als hätte sie jemand von oben fallen lassen und einfach vergessen. Und dann: Sich ganz entspannt treiben lassen und in den Abend träumen. Natürlich nicht ohne eine Flasche Champagner…
Autor: Annette Waldow
© Fotos: Maison de la France/Genaux, Oxley, Fabian Charaffi
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