Kumiko strahlt übers ganze Gesicht. Sie läuft leichtfüßig über den Rasen auf uns zu. In der rechten Hand hält sie einen Korb mit frisch geernteten Gurken. In der linken einen Strauß Hibiskusblüten. Nachdem sie in ihrem Garten Unkraut gezupft und Gemüse geerntet hat, ist Kumiko jetzt zum Sport verabredet. Es soll einen kleinen Wettkampf geben, im Kricket. Kumiko ist 97 Jahre alt. Und fit wie ein Turnschuh. Wir treffen die verschmitzte Greisin auf einer Gruppen-Rundreise durch Okinawa. Das subtropische Inselarchipel bildet Japans südlichsten Zipfel – und ist in vielerlei Hinsicht einzigartig.
Kumiko bildet keine Ausnahme auf Okinawa. Denn die Inseln gehören zu den fünf Blue Zones weltweit. Hier werden Menschen wesentlich älter als im Rest der Welt – und sind dabei gesund und vor allem glücklich. Mit im Boot der Blauen Zonen sind das griechische Ikaria, Sardinien, Nicoya in Costa Rica und das kalifornische Loma Linda.
Pin Pin lautet der liebevolle Spitzname der Alten auf Okinawa, was übersetzt so viel heißt wie „springender Gummiball“. Das Geheimnis der glücklichen und gesunden 100-Jährigen beschäftigte bereits Universitätsprofessoren – die diverse Gründe für das Phänomen fanden. Eine gesunde Ernährung mit viel Gemüse und Fisch, wenig Fleisch und Fett, ein ausgewogener Mix zwischen körperlicher Betätigung und Erholung plus ein entspanntes Lebensgefühl sind in allen Blue Zones anzutreffen. Dazu gesellt sich noch etwas, das auf Okinawa Yuimaru genannt wird. Es bedeutet, mit anderen verbunden zu sein, sich in einem guten sozialen Netz aufgehoben zu fühlen.
Ich überlege: Wenn überhaupt, dann möchte ich nur in einer solch paradiesischen Umgebung 100 Jahre alt werden. Die Inseln der 47. Präfektur Japans muten an, als hätten sie sich frisch für ein Reisekatalog-Shooting herausgeputzt. Schwanenweiße, blitzsaubere Sandstrände, türkisfarbene, gut gelaunte Wellen und blühende Landschaften nahe des Ufersaums laden zu einem Strandtag ein. In der Unterwasserwelt rund um die Eilande findet man intakte Korallenriffs und einige der schönsten Tauchspots weltweit.
Das gesamte Archipel erstreckt sich über ca. 1.206 Kilometer. Es ist aufgeteilt in vier Bereiche: die Kerama-, die Kume-, die Miyako- und die Yaeyama-Inseln. Erst seit 1879 gehört Okinawa zum Land des Lächelns. Bis zur Angliederung an Japan war Okinawa ein eigenständiges Königreich mit dem melodischen Namen Ryukyu.
Aus dieser Zeit stammen neun UNESCO- Welterbestätten. Wichtigstes Zentrum war das Schloss Shurijo, in dem einst die Shō – die Könige – residierten. Es stammt aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Burganlage rund um Shurijo ist ein Highlight in Naha, der Hauptstadt Okinawas auf der Hauptinsel. Wir entdecken viele Details: So ist z. B. das farbenfrohe äußere Burgtor im chinesischen Stil gehalten. Es spielte in der Begrüßungszeremonie chinesischer Handelspartner eine wichtige Rolle.
Stimmungsvoll ist es, südlich des Schlosses die Ishitatami-michi-Straße hinunter zu laufen. Sie ist mit Steinen aus dem 16. Jahrhundert gepflastert. Am Straßenrand leuchten rote Dächer historischer Häuser in der Sonne. Auf der Ishitatami-michi flanierte einst der König mit seinen Gästen in Richtung Shikinaen-Garten. Die Gartenlandschaft mit See, Tempel und Villen ist auch heute noch ein Augenschmaus.
Apropos Schmaus: Hungrig geworden, entscheiden wir uns für einen Lunch auf dem Burggelände. Kurz darauf sitzen wir im Restaurant Ryukyu Sabo Ashibina auf Tatami-Matten an kniehohen Tischen und speisen leckere Sobanudeln und Goya Champuru – ein typisches Gericht auf Okinawa, dessen Hauptzutat die hier heimische, bitttere Goya Gurke ist.
Okinawas geografische Lage ließ das Archipel in früheren Jahrhunderten zu einem Schmelztigel der Kulturen werden. Die Eilande haben daher einen verblüffend unterschied-lichen Charakter. Inselhopping lohnt sich.
Iriomote, das zweitgrößte Eiland des Archipels, liegt rund 450 Kilometer südwestlich der Hauptinsel. Es gehört zur Region Yaeyama und trägt den Spitznamen „Galapagos des Ostens“, denn es ist zu 90 Prozent mit Dschungel bedeckt. Eine riesige Artenvielfalt bevölkert den subtropischen Urwald. Prominentester Wald-Bewohner: die Iriomote-Katze. Die gesamte Insel gehört zum Iriomote-Ishigaki-Nationalpark. Beim Dschungel-Trekking sieht man uralte Mangroven, glasklare Flüsse und Wasser-fälle. Ein einmaliges Phänomen der Insel ist der Hoshisuna-Beach. Sein Name bedeutet „Strand der Sterne“. Denn die Sandkörner sind sternförmig!
Wer baden, schnorcheln oder tauchen möchte, hat die Qual der Wahl. Allein auf der Hauptinsel warten unzählige Strände auf Sonnenhungrige. Einer der besten Spots zum Scuba Tauchen und Schnorcheln liegt an der Westküste am Maeda Point.
Beschaulich geht es auf der Insel Minna zu, die vor der Westküste der Hauptinsel liegt. Das winzige Eiland ist von Korallenbänken gesäumt. Es hat die Form eines Croissants – und damit seinen Spitznamen gefunden. Auf Minna kann man Jet Ski fahren oder sich im Sea Walking versuchen. Auf Izena, 27 Kilometer nordwestlich der Hauptinsel, befindet sich mit dem Futamigaura Beach ebenfalls ein Traumstrand, der zum Sonnenbaden und schwimmen einlädt. Für ihre glasklaren Gewässer sind die Miyaki- und die Kerama-Inseln bekannt. Letztere sind per Fähre von Naha aus in einer Stunde erreichbar. Schnorchler, Anfänger und Cracks im Tauchen kommen auf den Kerama-Inseln gleichermaßen auf ihre Kosten.
Die Korallengärten sind hier leicht zugänglich. 250 verschiedene Korallenarten leben in den hiesigen Gewässern, rund um Aka und Zamami kann man sie leicht ertauchen. Nahe Zamami können erfahrene Taucher eine Unterwasserhöhle erkunden. Auch über Wasser tut sich was: Auf der Insel legen Meeresschildkröten ihre Eier ab. Und von Dezember bis März kann man in dieser Gegend Wale beobachten.
Abgesehen von der Natur sind wir beeindruckt von der Sorgfalt, mit der Okinawa seine Traditionen pflegt. Dies passiert meist mit bezaubernden Festen. Eine der originellsten Veranstaltungen: das Tauziehen. Je nach Ort wird im Sommer oder Herbst mit dem Tauziehen um eine gute Ernte gebetet. Die Taue werden aus „männlichen“ und „weiblichen“ Seilen ge-flochten, sind bis zu 200 Meter lang und wiegen mehrere Tonnen. In einer Parade werden sie z. B. in Itoman oder Yonabaru durch die Stadt getragen, bejubelt von tausenden Zuschauern aus dem In- und Ausland.
In einer zartrosa Kulisse finden die Sakura-Matsuri Feste zu Ehren der Kirschblüte statt. Allein in Nago auf der Hauptinsel blühen ab Mitte Januar rund 20.000 Zierkirschen. Auf dem Berg Yaedake zwischen Nago und Motobu findet eines der bekanntesten Sakura-Matsuri Feste statt – mit einer bunten Parade, ganz viel Essen, Karaoke und Feuerwerk.
Ein weltweiter Exportschlager hat seine Wurzeln übrigens in Okinawa: Karate. Historischer Hintergrund: Chinesische Einwanderer brachten Mitte des 13. Jahrhunderts ihre Shaolin-Kampfkünste mit. Und nach und nach entstand auf Okinawa ein eigener Stil. Es war die Geburtsstunde des Karate.
Die Dojos – Karate-Schulen – erfreuen sich auch heute großer Beliebtheit. Was wir lernen: Anders als es das Klischee verbreitet, geht es beim Karate nicht darum, einen Gegner zu besiegen, sondern sich selbst zu entwickeln – Gelassenheit und Ausdauer zu trainieren. Auch die Pin Pins trainieren in den Dojos. Und wer weiß – vielleicht ist die Philosophie des ursprünglichen Karate ja Teil des Geheimnisses, gesund und glücklich 100 Jahre alt zu werden?
Autor: Annette Anson
© Fotos: Okinawa Convention & Visitors Bureau, Okinawa Industrial Support Center 2F, 1831-1 Oroku, Naha City, Okinawa
Kumiko strahlt übers ganze Gesicht. Sie läuft leichtfüßig über den Rasen auf uns zu. In der rechten Hand hält sie einen Korb mit frisch geernteten Gurken. In der linken einen Strauß Hibiskusblüten. Nachdem sie in ihrem Garten Unkraut gezupft und Gemüse geerntet hat, ist Kumiko jetzt zum Sport verabredet. Es soll einen kleinen Wettkampf geben, im Kricket. Kumiko ist 97 Jahre alt. Und fit wie ein Turnschuh. Wir treffen die verschmitzte Greisin auf einer Gruppen-Rundreise durch Okinawa. Das subtropische Inselarchipel bildet Japans südlichsten Zipfel – und ist in vielerlei Hinsicht einzigartig.
Kumiko bildet keine Ausnahme auf Okinawa. Denn die Inseln gehören zu den fünf Blue Zones weltweit. Hier werden Menschen wesentlich älter als im Rest der Welt – und sind dabei gesund und vor allem glücklich. Mit im Boot der Blauen Zonen sind das griechische Ikaria, Sardinien, Nicoya in Costa Rica und das kalifornische Loma Linda.
Pin Pin lautet der liebevolle Spitzname der Alten auf Okinawa, was übersetzt so viel heißt wie „springender Gummiball“. Das Geheimnis der glücklichen und gesunden 100-Jährigen beschäftigte bereits Universitätsprofessoren – die diverse Gründe für das Phänomen fanden. Eine gesunde Ernährung mit viel Gemüse und Fisch, wenig Fleisch und Fett, ein ausgewogener Mix zwischen körperlicher Betätigung und Erholung plus ein entspanntes Lebensgefühl sind in allen Blue Zones anzutreffen. Dazu gesellt sich noch etwas, das auf Okinawa Yuimaru genannt wird. Es bedeutet, mit anderen verbunden zu sein, sich in einem guten sozialen Netz aufgehoben zu fühlen.
Ich überlege: Wenn überhaupt, dann möchte ich nur in einer solch paradiesischen Umgebung 100 Jahre alt werden. Die Inseln der 47. Präfektur Japans muten an, als hätten sie sich frisch für ein Reisekatalog-Shooting herausgeputzt. Schwanenweiße, blitzsaubere Sandstrände, türkisfarbene, gut gelaunte Wellen und blühende Landschaften nahe des Ufersaums laden zu einem Strandtag ein. In der Unterwasserwelt rund um die Eilande findet man intakte Korallenriffs und einige der schönsten Tauchspots weltweit.
Das gesamte Archipel erstreckt sich über ca. 1.206 Kilometer. Es ist aufgeteilt in vier Bereiche: die Kerama-, die Kume-, die Miyako- und die Yaeyama-Inseln. Erst seit 1879 gehört Okinawa zum Land des Lächelns. Bis zur Angliederung an Japan war Okinawa ein eigenständiges Königreich mit dem melodischen Namen Ryukyu.
Aus dieser Zeit stammen neun UNESCO- Welterbestätten. Wichtigstes Zentrum war das Schloss Shurijo, in dem einst die Shō – die Könige – residierten. Es stammt aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Burganlage rund um Shurijo ist ein Highlight in Naha, der Hauptstadt Okinawas auf der Hauptinsel. Wir entdecken viele Details: So ist z. B. das farbenfrohe äußere Burgtor im chinesischen Stil gehalten. Es spielte in der Begrüßungszeremonie chinesischer Handelspartner eine wichtige Rolle.
Stimmungsvoll ist es, südlich des Schlosses die Ishitatami-michi-Straße hinunter zu laufen. Sie ist mit Steinen aus dem 16. Jahrhundert gepflastert. Am Straßenrand leuchten rote Dächer historischer Häuser in der Sonne. Auf der Ishitatami-michi flanierte einst der König mit seinen Gästen in Richtung Shikinaen-Garten. Die Gartenlandschaft mit See, Tempel und Villen ist auch heute noch ein Augenschmaus.
Apropos Schmaus: Hungrig geworden, entscheiden wir uns für einen Lunch auf dem Burggelände. Kurz darauf sitzen wir im Restaurant Ryukyu Sabo Ashibina auf Tatami-Matten an kniehohen Tischen und speisen leckere Sobanudeln und Goya Champuru – ein typisches Gericht auf Okinawa, dessen Hauptzutat die hier heimische, bitttere Goya Gurke ist.
Okinawas geografische Lage ließ das Archipel in früheren Jahrhunderten zu einem Schmelztigel der Kulturen werden. Die Eilande haben daher einen verblüffend unterschied-lichen Charakter. Inselhopping lohnt sich.
Iriomote, das zweitgrößte Eiland des Archipels, liegt rund 450 Kilometer südwestlich der Hauptinsel. Es gehört zur Region Yaeyama und trägt den Spitznamen „Galapagos des Ostens“, denn es ist zu 90 Prozent mit Dschungel bedeckt. Eine riesige Artenvielfalt bevölkert den subtropischen Urwald. Prominentester Wald-Bewohner: die Iriomote-Katze. Die gesamte Insel gehört zum Iriomote-Ishigaki-Nationalpark. Beim Dschungel-Trekking sieht man uralte Mangroven, glasklare Flüsse und Wasser-fälle. Ein einmaliges Phänomen der Insel ist der Hoshisuna-Beach. Sein Name bedeutet „Strand der Sterne“. Denn die Sandkörner sind sternförmig!
Wer baden, schnorcheln oder tauchen möchte, hat die Qual der Wahl. Allein auf der Hauptinsel warten unzählige Strände auf Sonnenhungrige. Einer der besten Spots zum Scuba Tauchen und Schnorcheln liegt an der Westküste am Maeda Point.
Beschaulich geht es auf der Insel Minna zu, die vor der Westküste der Hauptinsel liegt. Das winzige Eiland ist von Korallenbänken gesäumt. Es hat die Form eines Croissants – und damit seinen Spitznamen gefunden. Auf Minna kann man Jet Ski fahren oder sich im Sea Walking versuchen. Auf Izena, 27 Kilometer nordwestlich der Hauptinsel, befindet sich mit dem Futamigaura Beach ebenfalls ein Traumstrand, der zum Sonnenbaden und schwimmen einlädt. Für ihre glasklaren Gewässer sind die Miyaki- und die Kerama-Inseln bekannt. Letztere sind per Fähre von Naha aus in einer Stunde erreichbar. Schnorchler, Anfänger und Cracks im Tauchen kommen auf den Kerama-Inseln gleichermaßen auf ihre Kosten.
Die Korallengärten sind hier leicht zugänglich. 250 verschiedene Korallenarten leben in den hiesigen Gewässern, rund um Aka und Zamami kann man sie leicht ertauchen. Nahe Zamami können erfahrene Taucher eine Unterwasserhöhle erkunden. Auch über Wasser tut sich was: Auf der Insel legen Meeresschildkröten ihre Eier ab. Und von Dezember bis März kann man in dieser Gegend Wale beobachten.
Abgesehen von der Natur sind wir beeindruckt von der Sorgfalt, mit der Okinawa seine Traditionen pflegt. Dies passiert meist mit bezaubernden Festen. Eine der originellsten Veranstaltungen: das Tauziehen. Je nach Ort wird im Sommer oder Herbst mit dem Tauziehen um eine gute Ernte gebetet. Die Taue werden aus „männlichen“ und „weiblichen“ Seilen ge-flochten, sind bis zu 200 Meter lang und wiegen mehrere Tonnen. In einer Parade werden sie z. B. in Itoman oder Yonabaru durch die Stadt getragen, bejubelt von tausenden Zuschauern aus dem In- und Ausland.
In einer zartrosa Kulisse finden die Sakura-Matsuri Feste zu Ehren der Kirschblüte statt. Allein in Nago auf der Hauptinsel blühen ab Mitte Januar rund 20.000 Zierkirschen. Auf dem Berg Yaedake zwischen Nago und Motobu findet eines der bekanntesten Sakura-Matsuri Feste statt – mit einer bunten Parade, ganz viel Essen, Karaoke und Feuerwerk.
Ein weltweiter Exportschlager hat seine Wurzeln übrigens in Okinawa: Karate. Historischer Hintergrund: Chinesische Einwanderer brachten Mitte des 13. Jahrhunderts ihre Shaolin-Kampfkünste mit. Und nach und nach entstand auf Okinawa ein eigener Stil. Es war die Geburtsstunde des Karate.
Die Dojos – Karate-Schulen – erfreuen sich auch heute großer Beliebtheit. Was wir lernen: Anders als es das Klischee verbreitet, geht es beim Karate nicht darum, einen Gegner zu besiegen, sondern sich selbst zu entwickeln – Gelassenheit und Ausdauer zu trainieren. Auch die Pin Pins trainieren in den Dojos. Und wer weiß – vielleicht ist die Philosophie des ursprünglichen Karate ja Teil des Geheimnisses, gesund und glücklich 100 Jahre alt zu werden?
Autor: Annette Anson
© Fotos: Okinawa Convention & Visitors Bureau, Okinawa Industrial Support Center 2F, 1831-1 Oroku, Naha City, Okinawa
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