Sarasota. Mein alter Bekannter Peter schickte mir eine E-Mail aus Sarasota. Wie lange hatten wir nichts mehr voneinander gehört? Eine halbe Ewigkeit! Und nun das – ein Lebenszeichen aus Sarasota. Dort habe er sich jetzt zur Ruhe gesetzt, teilte mir Peter via Skype mit. In Sarasota. Und ich müsse ihn dort unbedingt mal besuchen. In Sarasota.
Ehrlich gesagt: Ich wusste auf Anhieb überhaupt nicht, wo ich diesen Ort auf dem Globus suchen sollte. Vielleicht in Spanien? Ach, was! Völlig daneben! Sarasota liegt natürlich an der Westküste Floridas, klärte mich Google Maps auf. Rund 100 Kilometer südlich von Tampa und etwa 200 Kilometer bis nach Orlando.
Nicht schlecht, mein Freund, dachte ich. Hält er auf seine alten Tage den Bauch in die Sonne. Sunshine State also. „Sag mal, wie warm ist es denn so bei Euch drüben?“, chattete ich. Und bereute die Frage sofort. Die Antwort kam recht prompt. „28 Grad“. Und das noch um 9 Uhr am Abend! Ich überlegte, ob wir in diesem so genannten Sommer in Hamburg überhaupt schon mal 28 Grad Wärme hatten. Zwei bis dreimal am Mittag vielleicht …
Und dann tat ich etwas, das ich wohl nicht hätte tun sollen: Ich schaute mir im Netz eine Klimatabelle von Sarasota an, konnte es kaum begreifen. Im Frühling 15 bis 28 Grad, im Sommer 22 bis 35 Grad, im Herbst 18 bis 29 Grad. Ja, selbst im Winter sanken die Temperaturen ja nicht mal unter 11 Grad. Plus, wohlgemerkt.
Na, vielleicht sollte ich Peter ja doch mal besuchen. Aber wie hinkommen? Das wäre vermutlich super kompliziert, oder? „Überhaupt nicht!“, las ich auf meinem Monitor. „Air Berlin fliegt doch von Deutschland direkt nach Fort Myers. Dort mietest du dir einen Wagen und sitzt 90 Minuten später bei mir auf der Terrasse“.
Und so geschah es auch, knapp zwei Wochen nach unserem Chat. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich zuallererst mal mit Peter ans Meer wollte. Um mein mittlerweile angehäuftes Lexikon-Wissen zu bestätigen: Der Strand war wirklich blendend weiß. „Ja“, meinte Peter, „wir haben in 2011 so eine Art Strand-Oscar bekommen – für den Siesta Key Beach in Sarasota.“ Er sagte doch tatsächlich „wir“, fühlte sich offenbar schon als Amerikaner.
„Dr. Beach“, fuhr mein alter Freund ungerührt fort, „ist dir vermutlich kein Begriff, oder?“ Ich schüttelte nur den Kopf, und Peter erklärte: „Dr. Beach heißt mit bürgerlichem Namen Stephen P. Leatherman, ist Professor und Direktor des Laboratory for Coastal Research an der Florida International University in Miami. Er gehört zu den renommiertesten Küstenforschern der Welt. Und seit etwa 20 Jahren erstellt Dr. Beach jedes Jahr eine Hitliste der zehn besten Strände Amerikas. Streng wissenschaftlich, versteht sich. Unter Berücksichtigung von rund 50 Kriterien. Neben Wasser- und Strandqualität werden auch diverse Umwelt- und Sicherheitsaspekte mit in die Bewertung einbezogen.“
So, Sarasota machte also im vergangenen Jahr das Rennen um die begehrte Auszeichnung. Was ich auch als absoluterer Laie vollkommen nachvollziehen kann. Denn der Siesta Key Beach ist mit feinstem Puderzucker-Sand gesegnet, der – wie Peter zu berichten weiß – zu 99 Prozent aus purem Quarz besteht und auch in der größten Mittagshitze nicht heiß wird. Ich bin echt beeindruckt.
Schließlich fahren wir zu Peter nach Hause, um auf seiner Terrasse eine Erfrischung zu uns zu nehmen. Unterwegs deutet mein alter Freund auf das eine oder andere Haus, erwähnt den einen oder anderen Namen. Die meisten sagen mir nichts. Aber ich erinnere mich noch, dass offenbar der deutsche Tennisspieler Tommy Haas ein Haus in Sarasota besitzt. Auch Thriller-Schriftsteller Stephen King hat hier am Golf von Mexiko sein Zuhause. Und Ex-Bond Pierce Brosnan. Sogar Super-Talklady Oprah soll in Sarasota ein Anwesen besitzen, zumindest als Zweitwohnsitz.
„Ja, in Sarasota lässt es sich sehr gut leben“, meint Peter zufrieden. „Die Stadt hat mit ihren etwa 50.000 Einwohnern in meinem Auge eine perfekte Größe. Sie ist nicht zu klein, aber noch recht überschaubar. Ihre insgesamt acht vorgelagerten Inseln bieten ideale Voraussetzungen für sportliche Aktivitäten jeder Art. Es gibt zahlreiche hervorragende Restaurants sowie gute Shopping-Möglichkeiten. Und Naturfreunde finden im Myakka River State Park, im Oscar Scherer-State-Park und in den Marie Selby Botanical Gardens kleine Paradiese vor.
„Wie sieht es denn mit dem Kulturangebot in Sarasota aus?“, frage ich – in der Annahme, dass ich nun einen schwachen Punkt angesprochen habe. Aber keineswegs! „Wenn du jetzt einige Tage hier bist, wirst du immer wieder dem Namen Ringling begegnen“, erklärt mir Peter. „Das hat folgenden Hintergrund: Anfang des 20. Jahrhunderts kam ein gewisser John Ringling mit dem damals weltweit größten Zirkus – dem „Ringling Bros and Barnum & Baley Circus“ nach Sarasota – um hier zu überwintern. Einige Jahre später, 1927, bot ihm die Stadt ein 63 Hektar großes Grundstück an, wenn Ringling das Winterquartier für seinen Zirkus dauerhaft nach Sarasoten verlegen würde.“
Der Deal kam zustande, bildete die Basis für die Stadtentwicklung von Sarasota. Und war Ausgangspunkt für eine harmonische, langjährige Beziehung – eine Tradition. Noch heute gibt es auf dem Ringling-Areal in Sarasota zwei Zirkusunternehmen, die älteste Zirkusschule in den USA und auch ein Zirkusmuseum.
Letzteres ist Bestandteil eines veritablen Museumskomplexes. The John and Mable-Ringling-Museum of Art verfügt mittlerweile über eine Sammlung von mehr als 600 Gemälden, Skulpturen und dekorativen Kunstobjekten. Unter anderem beherbergt es auch eine der weltweit besten Rubens-Sammlungen.
Okay. Das ist in der Tat eine Menge Kultur für eine Stadt von 50.000 Einwohnern. Und ich habe jetzt Lust auf etwas ganz Profanes. „Wollen wir ausgehen und irgendwo ein Bier trinken?“, frage ich. Schon ist Peter überredet. Unser kleiner Zug durch die Gemeinde beginnt bei „Mr. Beery‘s“, wo das Motto lautet: „No crap on tap“ – zu Deutsch etwa „Kein Mist aus dem Hahn“, und endet in der Kneipe „Cook & Bull“, die Biersorten mit recht außergewöhnlichen Geschmacksrichtungen ausschenkt – Himbeere zum Beispiel oder Pfirsich. Und mein „Golden Wheat“ hat eindeutig eine Zitrus- und Koriandernote.
Peters Zunge wird mit jedem Bier lockerer: „Wusstest Du, dass zwischen Oktober und Mai Stone-Crab-Saison ist?“, fragt er mich. „Da nimmt man der Krabbe immer nur ein Bein weg und entlässt sie wieder in die Freiheit, damit ihr ein neues Bein nachwachsen kann. Ja, kein Scherz!“
Peter läuft weiter zur Hochform auf: „Im Sarasota Classic Car Museum sind übrigens der Mercedes von John Lennon und der Mini Cooper von Paul McCartney zu bewundern …“
„Kommen eigentlich auch Besucher aus Deutschland nach Sarasota?“, möchte ich wissen. „Oh ja!“ versichert Peter. „Im vergangenen Jahr waren es fast 20.000. Tendenz rasant steigend.“ Ich denke, dass ich künftig zu dieser Entwicklung beitragen werde …
Raimond Ahlborn
Fotos: Sarasota and Her Islands
Sarasota. Mein alter Bekannter Peter schickte mir eine E-Mail aus Sarasota. Wie lange hatten wir nichts mehr voneinander gehört? Eine halbe Ewigkeit! Und nun das – ein Lebenszeichen aus Sarasota. Dort habe er sich jetzt zur Ruhe gesetzt, teilte mir Peter via Skype mit. In Sarasota. Und ich müsse ihn dort unbedingt mal besuchen. In Sarasota.
Ehrlich gesagt: Ich wusste auf Anhieb überhaupt nicht, wo ich diesen Ort auf dem Globus suchen sollte. Vielleicht in Spanien? Ach, was! Völlig daneben! Sarasota liegt natürlich an der Westküste Floridas, klärte mich Google Maps auf. Rund 100 Kilometer südlich von Tampa und etwa 200 Kilometer bis nach Orlando.
Nicht schlecht, mein Freund, dachte ich. Hält er auf seine alten Tage den Bauch in die Sonne. Sunshine State also. „Sag mal, wie warm ist es denn so bei Euch drüben?“, chattete ich. Und bereute die Frage sofort. Die Antwort kam recht prompt. „28 Grad“. Und das noch um 9 Uhr am Abend! Ich überlegte, ob wir in diesem so genannten Sommer in Hamburg überhaupt schon mal 28 Grad Wärme hatten. Zwei bis dreimal am Mittag vielleicht …
Und dann tat ich etwas, das ich wohl nicht hätte tun sollen: Ich schaute mir im Netz eine Klimatabelle von Sarasota an, konnte es kaum begreifen. Im Frühling 15 bis 28 Grad, im Sommer 22 bis 35 Grad, im Herbst 18 bis 29 Grad. Ja, selbst im Winter sanken die Temperaturen ja nicht mal unter 11 Grad. Plus, wohlgemerkt.
Na, vielleicht sollte ich Peter ja doch mal besuchen. Aber wie hinkommen? Das wäre vermutlich super kompliziert, oder? „Überhaupt nicht!“, las ich auf meinem Monitor. „Air Berlin fliegt doch von Deutschland direkt nach Fort Myers. Dort mietest du dir einen Wagen und sitzt 90 Minuten später bei mir auf der Terrasse“.
Und so geschah es auch, knapp zwei Wochen nach unserem Chat. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich zuallererst mal mit Peter ans Meer wollte. Um mein mittlerweile angehäuftes Lexikon-Wissen zu bestätigen: Der Strand war wirklich blendend weiß. „Ja“, meinte Peter, „wir haben in 2011 so eine Art Strand-Oscar bekommen – für den Siesta Key Beach in Sarasota.“ Er sagte doch tatsächlich „wir“, fühlte sich offenbar schon als Amerikaner.
„Dr. Beach“, fuhr mein alter Freund ungerührt fort, „ist dir vermutlich kein Begriff, oder?“ Ich schüttelte nur den Kopf, und Peter erklärte: „Dr. Beach heißt mit bürgerlichem Namen Stephen P. Leatherman, ist Professor und Direktor des Laboratory for Coastal Research an der Florida International University in Miami. Er gehört zu den renommiertesten Küstenforschern der Welt. Und seit etwa 20 Jahren erstellt Dr. Beach jedes Jahr eine Hitliste der zehn besten Strände Amerikas. Streng wissenschaftlich, versteht sich. Unter Berücksichtigung von rund 50 Kriterien. Neben Wasser- und Strandqualität werden auch diverse Umwelt- und Sicherheitsaspekte mit in die Bewertung einbezogen.“
So, Sarasota machte also im vergangenen Jahr das Rennen um die begehrte Auszeichnung. Was ich auch als absoluterer Laie vollkommen nachvollziehen kann. Denn der Siesta Key Beach ist mit feinstem Puderzucker-Sand gesegnet, der – wie Peter zu berichten weiß – zu 99 Prozent aus purem Quarz besteht und auch in der größten Mittagshitze nicht heiß wird. Ich bin echt beeindruckt.
Schließlich fahren wir zu Peter nach Hause, um auf seiner Terrasse eine Erfrischung zu uns zu nehmen. Unterwegs deutet mein alter Freund auf das eine oder andere Haus, erwähnt den einen oder anderen Namen. Die meisten sagen mir nichts. Aber ich erinnere mich noch, dass offenbar der deutsche Tennisspieler Tommy Haas ein Haus in Sarasota besitzt. Auch Thriller-Schriftsteller Stephen King hat hier am Golf von Mexiko sein Zuhause. Und Ex-Bond Pierce Brosnan. Sogar Super-Talklady Oprah soll in Sarasota ein Anwesen besitzen, zumindest als Zweitwohnsitz.
„Ja, in Sarasota lässt es sich sehr gut leben“, meint Peter zufrieden. „Die Stadt hat mit ihren etwa 50.000 Einwohnern in meinem Auge eine perfekte Größe. Sie ist nicht zu klein, aber noch recht überschaubar. Ihre insgesamt acht vorgelagerten Inseln bieten ideale Voraussetzungen für sportliche Aktivitäten jeder Art. Es gibt zahlreiche hervorragende Restaurants sowie gute Shopping-Möglichkeiten. Und Naturfreunde finden im Myakka River State Park, im Oscar Scherer-State-Park und in den Marie Selby Botanical Gardens kleine Paradiese vor.
„Wie sieht es denn mit dem Kulturangebot in Sarasota aus?“, frage ich – in der Annahme, dass ich nun einen schwachen Punkt angesprochen habe. Aber keineswegs! „Wenn du jetzt einige Tage hier bist, wirst du immer wieder dem Namen Ringling begegnen“, erklärt mir Peter. „Das hat folgenden Hintergrund: Anfang des 20. Jahrhunderts kam ein gewisser John Ringling mit dem damals weltweit größten Zirkus – dem „Ringling Bros and Barnum & Baley Circus“ nach Sarasota – um hier zu überwintern. Einige Jahre später, 1927, bot ihm die Stadt ein 63 Hektar großes Grundstück an, wenn Ringling das Winterquartier für seinen Zirkus dauerhaft nach Sarasoten verlegen würde.“
Der Deal kam zustande, bildete die Basis für die Stadtentwicklung von Sarasota. Und war Ausgangspunkt für eine harmonische, langjährige Beziehung – eine Tradition. Noch heute gibt es auf dem Ringling-Areal in Sarasota zwei Zirkusunternehmen, die älteste Zirkusschule in den USA und auch ein Zirkusmuseum.
Letzteres ist Bestandteil eines veritablen Museumskomplexes. The John and Mable-Ringling-Museum of Art verfügt mittlerweile über eine Sammlung von mehr als 600 Gemälden, Skulpturen und dekorativen Kunstobjekten. Unter anderem beherbergt es auch eine der weltweit besten Rubens-Sammlungen.
Okay. Das ist in der Tat eine Menge Kultur für eine Stadt von 50.000 Einwohnern. Und ich habe jetzt Lust auf etwas ganz Profanes. „Wollen wir ausgehen und irgendwo ein Bier trinken?“, frage ich. Schon ist Peter überredet. Unser kleiner Zug durch die Gemeinde beginnt bei „Mr. Beery‘s“, wo das Motto lautet: „No crap on tap“ – zu Deutsch etwa „Kein Mist aus dem Hahn“, und endet in der Kneipe „Cook & Bull“, die Biersorten mit recht außergewöhnlichen Geschmacksrichtungen ausschenkt – Himbeere zum Beispiel oder Pfirsich. Und mein „Golden Wheat“ hat eindeutig eine Zitrus- und Koriandernote.
Peters Zunge wird mit jedem Bier lockerer: „Wusstest Du, dass zwischen Oktober und Mai Stone-Crab-Saison ist?“, fragt er mich. „Da nimmt man der Krabbe immer nur ein Bein weg und entlässt sie wieder in die Freiheit, damit ihr ein neues Bein nachwachsen kann. Ja, kein Scherz!“
Peter läuft weiter zur Hochform auf: „Im Sarasota Classic Car Museum sind übrigens der Mercedes von John Lennon und der Mini Cooper von Paul McCartney zu bewundern …“
„Kommen eigentlich auch Besucher aus Deutschland nach Sarasota?“, möchte ich wissen. „Oh ja!“ versichert Peter. „Im vergangenen Jahr waren es fast 20.000. Tendenz rasant steigend.“ Ich denke, dass ich künftig zu dieser Entwicklung beitragen werde …
Raimond Ahlborn
Fotos: Sarasota and Her Islands
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