Endlich eingeschifft und voller Vorfreude auf die kommenden Wochen betrete ich meine großzügige Kabine auf dem Schweizer Schiff aus dem Kanton Thurgau, das hier in Österreich in Linz an der Donau seine Reise bis hinunter ans Schwarze Meer beginnt. Die luxuriöse Ausstattung des Schiffes ist ein Erlebnis für sich, es ist ein Privileg, hier an Bord sein zu dürfen. Tags zuvor bin ich in der quirligen, oberösterreichischen Stadt eingetroffen und hatte gerade genug Zeit, die ersten Momente des lebhaften Sommers in mich aufzusaugen.
Linz ist gerade in den Sommermonaten eine ausgeflippte und sich kulturell intensiv präsentierende Stadt. Auf den ersten Blick ist Linz eine ehemalige Industriestadt, bei näherer Betrachtung aber eine spannende Kulturmetropole: Linz ist Kulturstadt, Festival-Hotspot und Naturidylle in einem. Damit bietet Linz viele Facetten, die entdeckt werden wollen. Das Gesicht der Stadt ist geprägt von einem Mix aus Tradition und Moderne zwischen jungem Publikum und altehrwürdigen Monumenten. Das Gefühl der Leichtigkeit und Unbestimmtheit stellt sich ein, wenn man durch die Gassen der malerischen und gut restaurierten Altstadt flaniert und sich treiben lässt vom Charme der kleinen, aber hochwertigen Boutiquen und Lädchen, durchbrochen von historischen Bauten. Linz macht Lust auf mehr!
Erst mal wird alles an Bord erkundet, die Neugier auf das Lebensumfeld der kommenden Tage ist zu groß, als dass man jetzt abschalten könnte. Der Salon, das Restaurant darunter, das Oberdeck, das mir in den kommenden Tagen als Fenster zur Welt auf der großen Reise dient, Pool und Fitnessraum - für Abwechslung ist gesorgt. Und schließlich sind auch alle Gäste eingetroffen. Eine Flut von Informationen trifft auf die Gäste, bevor es zum entspannten Teil übergeht – die einzige größere Welle, mit der die Reisenden in den kommenden Wochen zu rechnen haben. Wie wird das Nächtigen auf so einem Flussschiff sein? Wird es ruhig oder dröhnen die Motoren? Ich verlasse mich auf die Mannschaft, die sich allen Gästen zu Beginn der Reise im Salon vorstellt.
Und schon steht der erste Stopp an. Eine entspannte Nacht, das beruhigende Schwappen der Fahrtwellen unterhalb meines Kabinenfensters und ein Sonnenaufgang, der das Wasser rot färbt, geben mir Kraft für den ersten Tag. Weit sind wir nicht gekommen, Wien am frühen Morgen. Wer will, kann die berühmte Hofburg in einem Rundgang besichtigen. Individuell ist man vom Donauufer schnell mit der U-Bahn in der Stadt. Prater, Stephansdom, der Naschmarkt mit seinen Gerüchen und Farben, Wien hat so viel zu bieten, zu viel für einen kurzen Vormittag, den das Schiff in der Stadt liegt. Stippvisite, Wiener Luft, süßes Flair, ein „Verlängerter“, so nennt sich der Kaffee hier, dafür reicht die Zeit, man ist in Wien und schaut sich um, bevor es zurück zum Anleger an der Mexiko-Kirche geht, die ihren Namen der Erinnerung an den Protest des mittelamerikanischen Landes als einzige Nation über den Anschluss Österreichs an Deutschland 1938, verdankt. Vor der Rückkehr auf das Schiff, kommt mir das Lied des Komponisten Rudolf Sieczynskis in den Sinn, „Wien nur Du allein“ – gesungen von vielen Interpreten im 20. Jahrhundert und ein Ohrwurm, der heute nicht zutrifft. Denn wir wollen weiter, die Donau hinab. Ungarn erwartet uns schon.
Die Donau hinab geht es nach Osten. Ungarn, das nächste Ziel, ist weit. Dazwischen liegt noch ein Land, das ich erst auf der Rückreise besuchen werde: Die Slowakei. Zeit für Entspannung an Deck. Die Natur fliegt und fließt an mir vorbei. Kleine Dörfer, Burgruinen, winkende Menschen am Ufer, Sommerhitze. Dazwischen ein Getränk vom immer fleißigen Bordpersonal. Das Leben ist Luxus, man vergisst den Alltag. Schon ist Hainburg an der Donau zu sehen. Die letzte Station in Österreich. Und auf der anderen Seite der Grenze die Hrad Devin, eine Burgruine, die erste in der Slowakei.
Ein Stück der zweigeteilten Strecke beginnt nun, was ich in den kommenden Tagen oft erleben werde. Auf dem einen Ufer ist das eine Land, am anderen Ufer das andere. Wir fahren zwischen Österreich und der Slowakei Richtung Bratislava, der Hauptstadt. Hier halten wir erst viel später, auf der Rückreise. Aber der Hrad, der Präsidentenpalast, grüßt uns imposant vom Ufer. Die Ufo-Brücke, die Paläste der Innenstadt, all das zieht heute an uns vorbei. Und der zweite Tag geht erlebnisreich zu Ende - kulinarisch, genussvoll, an Bord des Schiffes. Denn hier ist man gut versorgt und wird unterhalten, vom bemühten, aber wenig talentierten Pianisten im Salon. Wie kitschig, wie schön. Das Leben an Bord entspannt.
Die Nacht ist fast zu schade zum Schlafen. Der Schlaflose wird belohnt, wenn er zur rechten Zeit aus dem Kabinenfenster schaut. Budapest bei Nacht, die ungarische Hauptstadt, sie leuchtet und pulsiert. Ich werde sie auf dem Rückweg besuchen. Und endlich erreichen wir die Stadt Solt in Ungarn. Ein Ort ohne Geschichte. Aber die ist auch nicht bedeutend. Wir wollen in die Puszta. Alle Reisenden erwarten mit Spannung die Pferdeshow, die wir auf einem Reiterhof zu sehen bekommen. Faszinierend, erheiternd, lustig, typisch. Die Grazie der Pferde, die artistische Kunst der Reiter. Ich sehe erstaunte, gespannte, belebte Gesichter. Ein Schluck ungarischer Wein hebt die Stimmung. Hei, wie Peitschen knallen, die Reiter auf ihren Pferden Kunststücke vollziehen. Herrlich. Und schon wieder vorbei. Vorbei an gelben Sonnenblumen-Feldern geht es zum Schiff. Durch die baumarme Steppe, die sich vor 8000 Jahren von einer Wald- in eine Grassteppe verwandelte. Nur wenige große Flächen gibt es noch, höre ich und bin bereits auf einer raschen Fahrt wieder zurück am sicheren Ziel: Meinem Schiff. Hinein in die Schleuse und wieder hinaus, ein Spektakel für Landratten, der Kapitän und seine Mannschaft nehmen es gelassen, sie sind es gewohnt.
Abends erreichen wir kurz das nächste Land. Kroatien mit seiner denkwürdigen Stadt Vukovar. Hier ist kein Ausstieg, nur Pass-Formalitäten. Doch vom Ufer aus sieht man die Sehenswürdigkeiten der Stadt sehr gut. Der im Jugoslawien-Krieg zerstörte und als begehbares Mahnmal nicht restaurierte Wasserturm der Stadt ist das Symbol von Vukovar. Das Schloss Eltz direkt am Ufer leuchtet in der Dunkelheit, auch hier sind die Spuren des Jugoslawien-Krieges noch sichtbar. In Vukovar ist es bis heute gefährlich, die Wege zu verlassen. Längst noch nicht sind alle Minen geräumt und das nach mehr als 30 Jahren. Beklommenheit macht sich breit an Bord. Vom Ufer schallt melancholische Musik aus einem Restaurant herüber. Nicht immer ist alles fröhlich auf der Kreuzfahrt. Aber das gehört dazu. Viele Völker, viele Geschichten. Und jeder erzählt sie anders, wie ich am kommenden Tag in Belgrad noch sehen werde.
Bunt leuchtet die Zezeljev Brücke am frühen Morgen und verbindet die Altstadt mit der Burg Petrovaradin mit ihrem berühmten Uhrturm, die hoch auf der anderen Donauseite thront und auf die Hauptstadt der Vojvodina herabblickt. Einst war diese Region nahe des heutigen Nationalparks vollkommen unbesiedelt. Kaiserin Maria Theresia von Österreich war es, die hier in der Pannonischen Tiefebene Ansiedlungen errichtete. Heute ist die Stadt die zweitgrößte in Serbien. Ein kurzer Spaziergang durch das Zentrum, durch die Dunavska-Straße zum Trg Slobode, dem Hauptplatz, vorbei an dem Geschäftspalast Gvozden Covek mit der gut erkennbaren Hermesfigur auf der Kuppel, dem eisernen Mann, vorbei an der Kirche „Heilige Maria“, und dem Synagogenkomplex. Bewundernd, fasziniert mich, dass keine orthodoxe Kirche zu sehen ist. Schnell werde ich eines Besseren belehrt. Novi Sad ist katholisch, die Orthodoxie beginnt auf dem Balkan, also Richtung Belgrad.
Und weiter geht der Reigen, in Bussen auf das Land. Das Kloster Petkovica. Hier endlich treffe ich auf die orthodoxe Glaubensrichtung. Das kleine Nonnenkloster aus dem 16. Jahrhundert, benannt nach dem Heiligen Petka ist ein Dreikonchenbau mit polygonaler Kuppel. Der Glockenturm kam erst später dazu. Berühmt ist das Kloster für seine Weine und seine heilenden Salben. Die Nonnen kennen die Natur und nutzen sie intensiv. Und weil so viele Besuche am Vormittag hungrig machen, geht es auch direkt weiter zu einem echten Erlebnis auf dem Land. Bei „Tosha“, so nennt sich der 89-jährige Bauer Theodor, und seiner Familie wird eingekehrt. Zünftige Musik, bodenständiges Essen aus Gulasch und serbische Spezialitäten, Salate und natürlich Wein, lockern die Stimmung auf. Lebhaftes Treiben und enthusiastische Begeisterung machen sich breit. Jelena, die mit mir reist, aus Serbien stammt und ihre Heimat das letzte Mal vor vielen Jahren besuchte, ist gerührt und in ihrem Element. Solche Momente sind es, die ein Kreuzfahrtgast sucht. Stippvisite, kurzes Erlebnis, Herzlichkeit.
Und ehe man sich versieht, ist man auch schon in der serbischen Hauptstadt. Belgrad, mit seiner langen und imposanten Einfahrt in die Stadt. Das Westtor, der Genex-Turm, ein wie ein Tor gebautes, ehemaliges Versicherungsgebäude begrüßt die Ankommenden. Zur Kathedrale des heiligen Sava, der größten orthodoxen Kirche auf dem Balkan, zieht es uns. Erst vor wenigen Jahren fertiggestellt, dank russischer Unterstützung, vorbei am Reiterdenkmal von Mihailo Obrenovic, von den Belgradern als „das Pferd“ bezeichnet und als beliebter Treffpunkt bekannt. Ministerien und Prunkbauten säumen die Straße, das zerstörte Verteidigungsministerium aus dem Jugoslawien-Krieg ließ man stehen, als Mahnmal oder auch zum Trotz. Jeder erzählt die Geschichte anders, kommt es mir in den Sinn und ich denke zurück an das kroatische Vukovar der vergangenen Nacht. Überwältigt besichtige ich die Kathedrale des heiligen Sava, so riesig, so von Gold strotzend. Hier zeigt man, was die Kirche kann und will. Der Weg führt uns zu Fuß durch den Kalemegdan-Park zur Belgrader Festung hinauf. Eine wechselvolle Geschichte birgt dieser Komplex, der 1521 von den Osmanen erobert wurde. Ich blicke hinab auf die Stadt. Das Schiff hat einen Schlenker gemacht, denn es fuhr von Novisad weiter nach Belgrad und landete kurz in der Save, dem kreuzenden Fluss in der serbischen Hauptstadt. Neben mir blickt der Pobednik, eine Bronzefigur eines nackten Mannes von einer Säule auf die Stadt. Das sorgte in der Vergangenheit für kontroverse Diskussionen. Heute ist der Nackte ein Wahrzeichen der Stadt. Wie gut, dass unser Schiff erst spät am Abend Belgrad verlässt. So ist es möglich, die erleuchtete Festung und das Ufer der Save zu genießen, bevor es wieder auf die Donau geht. Den Abschied vom Serbenland erleichtert eine eigens an Bord gekommene Folkloregruppe, die Tänze und Trachten vorstellt. Das gefällt allen Reisenden gut. Land und Leute sind immer willkommen.
Denn die wohl schwierigste, aber zugleich eindrucksvollste Passage der Donau steht bevor. Die Katarakenstrecke mit dem berühmten Eisernen Tor. Zum Glück auf der Hinfahrt am helllichten Tag. Wilder ist die Donau geworden und breiter hinter Belgrad, Die Natur ist urwüchsiger, an den Ufern kampieren Menschen in Zelten und Wohnwagen. Die Ruhe an Bord kehrt zurück. Gleichwohl die Spannung auf die Einfahrt zum berühmtesten Stausee im rumänisch-serbischen Grenzgebiet. Das Eiserne Tor wird er genannt. Dabei ist der 150 Kilometer lange und 5,5 Kilometer breite See noch gar nicht so alt, Erst 1972, als Rumänien und Serbien gemeinsam ein Wasserkraftwerk bauten, entstand an dieser Stelle hinter dem 130 Kilometer langen Durchbruchstal zwischen dem serbischen Balkangebirge und den Karpaten dieser einst gefürchtete Flussabschnitt mit zahlreichen Stromschnellen, die heute durch Schleusen gebremst werden. Zwischen 1890 und 96 wurde der Kanal vertieft. Hoch wie Kathedralen erheben sich die mächtigen Felswände. Erhaben stehe ich mit Blick nach oben auf dem Oberdeck und fühle einen sakralen Moment bei der Durchfahrt durch die Passage. Bis endlich das Kloster Mraconia auf einer Felsnase auftaucht und die Einfahrt zum Eisernen Tor markiert. Und da ist ja auch das steinerne Gesicht, das aus dem Felsen hervorspringt. Die aus dem Fels gehauene 40 Meter hohe Skulptur des Dacarkönig Decebalur Rex von Dracan Fecit in Rumänien. Zwölf Bildhauer arbeiteten 10 Jahre von 1994 bis 2004 an diesem Monument. Ich fühle mich in diesem Moment wie die Figur Frodo in dem Film „Herr der Ringe“ auf dem Weg in Saurons Reich. Angekommen im Osten, die Zeit ändert sich. Es ist nun eine Stunde später, die Donau teilt sich nun auf beiden Ufern mit Rumänien und Serbien, daraus wird später Bulgarien als rumänisches Gegenufer.
Und während man so fast lautlos die Donau hinab fährt, die Natur bewundert, Menschen winkt, Schlösser, Burgen, Dörfer an den Ufern bestaunt, ist auch das Leben an Bord stets abwechslungsreich. Ob Kuchenparty mit „high tea“, Eisparty, Tombola oder Quiz, für das leibliche und geistige Wohl ist gesorgt. Vor allem dank Kreuzfahrtleiterin Sabine, die immer ausführlich zu jeder Sehenswürdigkeit am Ufer oder zum Ausflug detaillierte und kommentierte Hintergrundinformationen parat hat. Spannend, unterhaltsam und fokussierend werden wir Reisegäste begleitet. Doch es gibt so viel mehr fleißige Kräfte an Bord, die täglich bemüht sind, mir als Gast eine unvergessliche Reise zu ermöglichen. Wer sind diese Menschen, möchte ich wissen, wo kommen sie her? Zahlreiche Nationen, Kulturen und Lebenswege trifft man hier. Ich frage Kellnerin Daniela. Sie stammt aus Rumänien, ist 47 und seit drei Jahren an Bord. Zwei kleine Kinder warten zu Hause auf ihre alleinerziehende Mutter, werden von den Großeltern versorgt, während sie für die Familie das Einkommen erwirtschaftet. Ihr Arbeitsort an Bord ist ein zweites Zuhause geworden. Die Nähe zur Heimat, die sie ständig wieder durchkreuzt macht ihr den Abstand zur Familie leichter, erzählt sie. Und wenn sie ab und zu Gäste wieder trifft, die schon einmal mit ihr gefahren sind, dann ist die Freude groß. Es sind die kleinen Momente, die sie glücklich machen. Ich bin bewegt; sehe die Kreuzfahrt mit anderen Augen. Fast ist es, als gewinne man in den zwei Wochen der großen Fahrt eine große Familie dazu. Und das sind nicht die Mitreisenden. Das ist die Mannschaft an Bord.
Und schon landen wir wieder im nächsten Land. Tief im Osten sind wir nun in Bulgarien. Wie auch in Serbien ist die Schrift hier kyrillisch. Rousse ist immerhin die fünftgrößte Stadt des Landes. Die Grenzstadt zu Rumänien hat seine besten Zeiten Ende des 19. Jahrhunderts erlebt, als bescheidener Wohlstand sich in dem heute ärmsten Land der Europäischen Union breit machte. Die Hafenstadt blickt auf eine lange Vergangenheit zurück, die in die Römerzeit zurück reicht und in der osmanischen Zeit viel erlebt hat. Heute ist ihre Bedeutung gesunken und mit ihr die Einwohnerzahl. Dennoch sieht es im Zentrum ordentlich aus. Die sozialistische Architektur ist dennoch unverkennbar, Wie gut, dass wenigstens das Opernhaus noch an vergangene Zeiten erinnert. Etwas außerhalb der Stadt treffe ich auf ein kurioses Konstrukt. Es ist ein Höhlenkloster. Bassarbowski heißt es, nahe dem Ort Bassarbowo. Hier lebten einst vier orthodoxe Mönche, heute ist es nur noch einer, erzählt die bulgarische Reiseleiterin. Denn das Schicksal raffte im vergangenen Jahr die übrigen drei von Ihnen bei einem Unfall dahin. Keine schöne Anekdote. Um so schöner ist es, über das Kloster zu erfahren, dass erst 1937 wieder Mönche in die Felsen bei Basarbovo einzogen. In der kleinen Höhle, die man über ein paar Stufen einer steilen Treppe erreicht, soll der Heilige Dimitrij einst geschlafen haben. Stille, Einkehr, Besinnung. Das verspüre ich, als ich die Klause eines Mönchs betrete, in den Fels gehauen, mit Blick über die Landschaft. Ruhe. Hier findet man zu sich. Ein ganz anderes Bulgarien, als man es vielleicht von den pulsierenden Stränden am Schwarzen Meer kennt.
Nicht weit ist es mehr bis ins Donaudelta. Die Fahrt geht durch Rumänien und endet mit dem Schiff in Braila. Eine hübsche, kleine Provinzstadt mit einer malerischen Altstadt und einem imposanten Opernhaus. Eigentlich sollte die Fahrt bis zur Hafenstadt Tulcea gehen, doch weil sich die Donau den Weg zwischen Rumänien und der krisengeschüttelten Ukraine teilt, geht es mit Bussen dorthin. Das Donaudelta erwartet uns. Mit kleinen Schnellbooten oder einem gemütlichen Ausflugsdampfer. Ich wähle die zweite Variante, die entspannte, naturfreundliche und gemütliche Fahrt. Von den 5800 Quadratkilometern, die sich in Feuchtgebieten, kleinen Kanälen in der rumänischen Landschaft Dobrudscha verzweigt, fahren wir nur ein Stück. Angestrengt halten alle Mitfahrenden Aussicht nach seltenen Vögeln, treffen an den Ufern aber zunächst vorwiegend angelnde, grillende oder kampierende Bewohner menschlicher Natur, die uns freudig grüßen. Dann endlich. Ein großer, schwarzer Seeadler hockt oben auf einer Baumspitze. Graue Fischreiher, weiße Seidenreiher und Kormorane begleiten unseren Weg. Eine Schar Pelikane gibt sich vor dem großen Becken in Richtung Schwarzes Meer ein Stelldichein, tanzt auf dem Wasser, kreist in den Lüften, ein herrliches Spektakel. Der Weg hat sich gelohnt. Das letzte Wegstück vor dem Rückweg war ein erhebendes Erlebnis.
Nach so viel Natur steht allen Reisenden der Sinn nach Großstadt, Flair und Metropole. Genau das verspricht der kommende Tag. Bukarest, Rumäniens Hauptstadt, vielen Reisenden weitgehend unbekannt. Nur den beseitigten Schreckensherrscher Nicolae Ceausescu kennt man noch. Und der hat die Stadt in den 40 Jahren seiner Herrschaft entscheidend geprägt. Der 1983-89 erbaute Parlamentspalast, ein protziges, gewaltiges Gebäude und tatsächlich das zweitgrößte Gebäude der Welt, liegt am etwa drei Kilometer langen Bulevardul Uniri und war früher das „Haus des Volkes“. Vor einigen Jahren wollte ein bekannter Amerikaner das Gebäude kaufen, Donald Trump. Er verschluckte sich an dem Kaufpreis von 4 Milliarden Dollar und so blieb der Bau im Besitz des Landes, wurde restauriert und dient heute auch als Kongress-Zentrum. Nicht umsonst gilt Bukarest als das „Paris des Ostens“, die Stadtrundfahrt führt uns vorbei am Triumphbogen, der Straße Pasajul Victorei mit seinen bunten Regenschirmen, dem Athenäum, der Ceaucescu-Villa, der neuen St. Georgskirche, dem Platz der Revolution mit seinem Reiterdenkmal zum Bauernmuseum, in dem ich eindrucksvoll die Geschichte des rumänischen Landlebens auf engem Raum erleben kann.
Schade, dass die Zeit so kurz ist an diesem Ausflugstag. Denn die Altstadt mit ihrem jungen Flair versprüht ein Gefühl der Sinnlichkeit, ruft nach Mehr, erweckt das Gefühl von „sich treiben lassen“ und der Hoffnung auf baldige Wiederkehr, um den prachtvollen Bauten des 19. Jahrhunderts mit ihren Fassaden zu frönen, die den Charme des gestrigen versprühen und auf Wiederentdeckung warten. Erholung und Entspannung an Bord bilden das Programm des nächsten Tages und dienen den Reisenden als willkommene Aktivität nach einem anstrengenden Ausflugstag. Was gibt es schöneres, als sich bei warmem Sommerwetter dem Naturgenuss der wilden Donauufer hinzugeben, die Tier- und Pflanzenwelt der meist unbevölkerten Ufergebiete zu genießen und einfach nur das Bordleben in sich aufzusaugen? Vielleicht bei einem entspannenden Bad im Bord-Pool?
Zurück in Serbien bietet der Vormittag den spannenden Ausflug in die skurrile Festung Golubac, auch Taubenstadt genannt, die mit ihren markanten Türmen direkt am Donauufer einst Wehrfestung mit besonderer Bedeutung im Kampf gegen das osmanische Reich war. Das fein herausgeputzte Städtchen Pecs in Ungarn mit seiner Bedeutung für die Keramik-Industrie, die Stadt Mohacs mit ihrer traurigen Vergangenheit als Verluststätte des Kampfes gegen das osmanische Reich und ihrer Gegenwartsbedeutung als Stadt des ungarischen Karnevals gestalten den kommenden Tag meiner Rückfahrt auf der Donau. Die Länder fliegen an mir vorbei, ich verliere das Gefühl für Zeit und Raum, die Uhrzeit ist längst wieder zurückgestellt und wäre da nicht ab und zu eine Flagge am Ufer, die signalisiert, in welchem Land ich mich auf der einen oder anderen Seite der Donau befinde, so könnte man fast vergessen, wo man ist. Gäbe es eine Uhr, die man an jener Stelle anhalten könnte, an der man sich wünscht, das Leben müsse immer so weiter gehen, dann wäre der Zeitpunkt für manchen wohl genau jetzt. In der unbeschwerten Leichtigkeit des Reisens auf der Donau.
Zu schade ist mir der Halt in Budapest, als dass ich bereits am Morgen eintreffend, einen Ausflug ins nahe Szentendere machen will. Gegenüber der berühmten Markthalle, der Kettenbrücke, auch Freiheitsbrücke, genannt, der Elisabethbrücke, und dem Gellertbad als eines der zahlreichen Thermal Bäder Budapests, habe ich gleich mehrere Ziele, die meinen Tag in der ungarischen Hauptstadt ausfüllen, bevor ich die berühmte Vaci Utca, die Haupteinkaufsstraße, hinunter spaziere und zum legendären Kaffeehaus Gerbeaud mit seine KuK-Vergangenheit gelange um eine stil- und genussvolle Pause auf höchstem Niveau einlege und die Kaffee- und Kuchenspezialitäten genieße - in eleganter Atmosphäre aus längst vergangenen Zeiten der Habsburger Monarchie. Immerhin war das Café einst Hoflieferant und international bekannt, dank der Konditor-Familie Kugler. Wer will, kann auch die Buda-Seite der Stadt mit seinem Burgpalast besuchen und dort einen herrlichen Blick auf Parlament und die Pest-Seite der Stadt genießen. Denn immerhin liegt die Hauptstadt nicht nur auf zwei Seiten der Donau, es hat sich einst im Jahr 1873 zu einer Stadt vereint. Den Sonnenuntergang an Bord genießend und die traumhafte Ausfahrt aus der Stadt im Licht der rot leuchtenden, versinkenden Sonne mit Blick auf beide Seiten der Metropole, erlebe ich die letzten Momente in dieser pulsierenden Stadt, deren Besuch vor allem auch mit einer Übernachtung nach Wiederholung ruft.
Bereits auf der Hinfahrt durfte ich die stolze Festung auf dem Berg, den Hrad und Präsidentenpalast erleben. Darunter schlängelt sich in malerischen Gassen die kleine, aber feine Hauptstadt der Slowakei. Die Slowakei als sehr junges, erst 1993 unabhängig gewordenes Land, war in seiner Geschichte immer ein Teil eines anderen Landes. Mal waren es die Ungarn, dann die Osmanen, danach die Habsburger, unter denen das Volk der Slowaken sicherlich seine beste Zeit hatte, bevor es anschließend den Tschechen angeschlossen wurde und nun endlich seit einigen Jahren selbst über sein Schicksal entscheiden darf. Entsprechend stolz ist man auf seine Errungenschaften als Land der Europäischen Union mit gewissem Wohlstand und zeigt daher auch gerne sein Erreichtes. Zwar stammt „das Ufo“ noch aus sozialistischen Zeiten und bildet sicherlich mit seiner Form als raumschiffähnlicher Brückenkopf ein unverwechselbares Kuriosum. Doch tritt man in die donaunahe Altstadt ein, fühlt man sich in die Zeit des 19. Jahrhunderts versetzt. Die zahlreiche Denkmäler, wie etwa der Gullimann Cumil, der schöne Naci Ignác Lamár oder auch der Napoleon-Soldat Hubert bilden trefflich den slowakischen Humor ab, der augenzwinkernd-satirisch die Vergangenheit kommentiert und sich über die eigene Identität belustigt.
Nach einem Bummel zum bedeutenden Martinstor zieht es mich in das berühmteste Café der Stadt, die Konditorei Kormuth. Wieder ein KuK-Café, wieder ein Hoflieferant. Aber anders als in Budapest ist es hier vor allem die süße, überzogene Kitschigkeit der Innendekoration, die den Reiz eines Besuchs ausmacht. Engelchen, barocke Wandbilder sakraler Ausrichtung in rosa und blau lassen vermuten, hier ist man richtig in einer Kathedrale der Konditorkunst gepaart mit einem Interieur aus dem 16.-19. Jahrhundert. Ein göttliches Erlebnis, ohne dass ich Bratislava, die kleine Hauptstadt am großen Fluss Donau, nicht verlassen darf.
Wehmut überkommt mich, als die gewaltigen Türme des Stifts Melk in der Ferne auf mich zukommen. Denn ich weiß, dass meine Reise schon am kommenden Tag zu Ende gehen wird. 14 lange und abwechslungsreiche Tage, von denen ich keinen Moment vermissen möchte, die mich der Donau mit ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit als längstem Fluss Europas mit 2850 Kilometern so nahegebracht haben, wie ich es mit einem anderen Verkehrsmittel als dem Schiff, nie erlebt hätte. So schaue ich wehmütig aber zugleich gespannt auf die gelben Türme des pompösen Stifts Melk, das heute UNESCO-Weltkulturerbe ist und 1702-46 errichtet wurde. Der Besuch der atemberaubend barocken Stiftsmauern, die als Sinnbild des Barocks gelten, trösten mich über das Ende meiner Reise hinweg. Der heilige Koloman als Schutzpatron des Stifts meint es noch einmal gut und sendet schönes Wetter zum letzten Tag, der diesen wundervollen Abschluss in der berühmten Kirche oberhalb der Donau findet.
Nach Linz an der Donau reist man am besten mit der Bahn an, aus der Schweiz gibt es einen Zubringerbus, aber auch hier ist die Bahnfahrt die bequemere, individuelle Variante. In Linz selbst muss man vom Bahnhof noch ein Taxi zum Anlegeort vor der Stadt, dem „Modellflugplatz“ nehmen, die Taxifahrer kennen den Ort im Industriegebiet von Linz.
Buchbar ist die Reise direkt auf der Website der Gesellschaft Thurgau Travel.
Das Gellertbad direkt gegenüber dem Anleger ist eine der ersten Adressen der zahlreichen Thermalbäder.
Stilvoll Kaffee trinken kann man im berühmten Kaffeehaus Gerbeaud.
Hier nimmt man seinen Kaffee am besten in der Konditorei Kormuth im Zentrum ein.
Hier trinkt man seinen Café im Grand Café Van Gogh.
Autor: Philip Duckwitz
Diese Reise wurde durchgeführt mit freundlicher Unterstützung von Thurgau Travel.
© Fotos: Philip Duckwitz, pixabay.com (Ian Kelsall, Albrecht Fietz, Jarko, Mariana Anatoneag, falco)
Endlich eingeschifft und voller Vorfreude auf die kommenden Wochen betrete ich meine großzügige Kabine auf dem Schweizer Schiff aus dem Kanton Thurgau, das hier in Österreich in Linz an der Donau seine Reise bis hinunter ans Schwarze Meer beginnt. Die luxuriöse Ausstattung des Schiffes ist ein Erlebnis für sich, es ist ein Privileg, hier an Bord sein zu dürfen. Tags zuvor bin ich in der quirligen, oberösterreichischen Stadt eingetroffen und hatte gerade genug Zeit, die ersten Momente des lebhaften Sommers in mich aufzusaugen.
Linz ist gerade in den Sommermonaten eine ausgeflippte und sich kulturell intensiv präsentierende Stadt. Auf den ersten Blick ist Linz eine ehemalige Industriestadt, bei näherer Betrachtung aber eine spannende Kulturmetropole: Linz ist Kulturstadt, Festival-Hotspot und Naturidylle in einem. Damit bietet Linz viele Facetten, die entdeckt werden wollen. Das Gesicht der Stadt ist geprägt von einem Mix aus Tradition und Moderne zwischen jungem Publikum und altehrwürdigen Monumenten. Das Gefühl der Leichtigkeit und Unbestimmtheit stellt sich ein, wenn man durch die Gassen der malerischen und gut restaurierten Altstadt flaniert und sich treiben lässt vom Charme der kleinen, aber hochwertigen Boutiquen und Lädchen, durchbrochen von historischen Bauten. Linz macht Lust auf mehr!
Erst mal wird alles an Bord erkundet, die Neugier auf das Lebensumfeld der kommenden Tage ist zu groß, als dass man jetzt abschalten könnte. Der Salon, das Restaurant darunter, das Oberdeck, das mir in den kommenden Tagen als Fenster zur Welt auf der großen Reise dient, Pool und Fitnessraum - für Abwechslung ist gesorgt. Und schließlich sind auch alle Gäste eingetroffen. Eine Flut von Informationen trifft auf die Gäste, bevor es zum entspannten Teil übergeht – die einzige größere Welle, mit der die Reisenden in den kommenden Wochen zu rechnen haben. Wie wird das Nächtigen auf so einem Flussschiff sein? Wird es ruhig oder dröhnen die Motoren? Ich verlasse mich auf die Mannschaft, die sich allen Gästen zu Beginn der Reise im Salon vorstellt.
Und schon steht der erste Stopp an. Eine entspannte Nacht, das beruhigende Schwappen der Fahrtwellen unterhalb meines Kabinenfensters und ein Sonnenaufgang, der das Wasser rot färbt, geben mir Kraft für den ersten Tag. Weit sind wir nicht gekommen, Wien am frühen Morgen. Wer will, kann die berühmte Hofburg in einem Rundgang besichtigen. Individuell ist man vom Donauufer schnell mit der U-Bahn in der Stadt. Prater, Stephansdom, der Naschmarkt mit seinen Gerüchen und Farben, Wien hat so viel zu bieten, zu viel für einen kurzen Vormittag, den das Schiff in der Stadt liegt. Stippvisite, Wiener Luft, süßes Flair, ein „Verlängerter“, so nennt sich der Kaffee hier, dafür reicht die Zeit, man ist in Wien und schaut sich um, bevor es zurück zum Anleger an der Mexiko-Kirche geht, die ihren Namen der Erinnerung an den Protest des mittelamerikanischen Landes als einzige Nation über den Anschluss Österreichs an Deutschland 1938, verdankt. Vor der Rückkehr auf das Schiff, kommt mir das Lied des Komponisten Rudolf Sieczynskis in den Sinn, „Wien nur Du allein“ – gesungen von vielen Interpreten im 20. Jahrhundert und ein Ohrwurm, der heute nicht zutrifft. Denn wir wollen weiter, die Donau hinab. Ungarn erwartet uns schon.
Die Donau hinab geht es nach Osten. Ungarn, das nächste Ziel, ist weit. Dazwischen liegt noch ein Land, das ich erst auf der Rückreise besuchen werde: Die Slowakei. Zeit für Entspannung an Deck. Die Natur fliegt und fließt an mir vorbei. Kleine Dörfer, Burgruinen, winkende Menschen am Ufer, Sommerhitze. Dazwischen ein Getränk vom immer fleißigen Bordpersonal. Das Leben ist Luxus, man vergisst den Alltag. Schon ist Hainburg an der Donau zu sehen. Die letzte Station in Österreich. Und auf der anderen Seite der Grenze die Hrad Devin, eine Burgruine, die erste in der Slowakei.
Ein Stück der zweigeteilten Strecke beginnt nun, was ich in den kommenden Tagen oft erleben werde. Auf dem einen Ufer ist das eine Land, am anderen Ufer das andere. Wir fahren zwischen Österreich und der Slowakei Richtung Bratislava, der Hauptstadt. Hier halten wir erst viel später, auf der Rückreise. Aber der Hrad, der Präsidentenpalast, grüßt uns imposant vom Ufer. Die Ufo-Brücke, die Paläste der Innenstadt, all das zieht heute an uns vorbei. Und der zweite Tag geht erlebnisreich zu Ende - kulinarisch, genussvoll, an Bord des Schiffes. Denn hier ist man gut versorgt und wird unterhalten, vom bemühten, aber wenig talentierten Pianisten im Salon. Wie kitschig, wie schön. Das Leben an Bord entspannt.
Die Nacht ist fast zu schade zum Schlafen. Der Schlaflose wird belohnt, wenn er zur rechten Zeit aus dem Kabinenfenster schaut. Budapest bei Nacht, die ungarische Hauptstadt, sie leuchtet und pulsiert. Ich werde sie auf dem Rückweg besuchen. Und endlich erreichen wir die Stadt Solt in Ungarn. Ein Ort ohne Geschichte. Aber die ist auch nicht bedeutend. Wir wollen in die Puszta. Alle Reisenden erwarten mit Spannung die Pferdeshow, die wir auf einem Reiterhof zu sehen bekommen. Faszinierend, erheiternd, lustig, typisch. Die Grazie der Pferde, die artistische Kunst der Reiter. Ich sehe erstaunte, gespannte, belebte Gesichter. Ein Schluck ungarischer Wein hebt die Stimmung. Hei, wie Peitschen knallen, die Reiter auf ihren Pferden Kunststücke vollziehen. Herrlich. Und schon wieder vorbei. Vorbei an gelben Sonnenblumen-Feldern geht es zum Schiff. Durch die baumarme Steppe, die sich vor 8000 Jahren von einer Wald- in eine Grassteppe verwandelte. Nur wenige große Flächen gibt es noch, höre ich und bin bereits auf einer raschen Fahrt wieder zurück am sicheren Ziel: Meinem Schiff. Hinein in die Schleuse und wieder hinaus, ein Spektakel für Landratten, der Kapitän und seine Mannschaft nehmen es gelassen, sie sind es gewohnt.
Abends erreichen wir kurz das nächste Land. Kroatien mit seiner denkwürdigen Stadt Vukovar. Hier ist kein Ausstieg, nur Pass-Formalitäten. Doch vom Ufer aus sieht man die Sehenswürdigkeiten der Stadt sehr gut. Der im Jugoslawien-Krieg zerstörte und als begehbares Mahnmal nicht restaurierte Wasserturm der Stadt ist das Symbol von Vukovar. Das Schloss Eltz direkt am Ufer leuchtet in der Dunkelheit, auch hier sind die Spuren des Jugoslawien-Krieges noch sichtbar. In Vukovar ist es bis heute gefährlich, die Wege zu verlassen. Längst noch nicht sind alle Minen geräumt und das nach mehr als 30 Jahren. Beklommenheit macht sich breit an Bord. Vom Ufer schallt melancholische Musik aus einem Restaurant herüber. Nicht immer ist alles fröhlich auf der Kreuzfahrt. Aber das gehört dazu. Viele Völker, viele Geschichten. Und jeder erzählt sie anders, wie ich am kommenden Tag in Belgrad noch sehen werde.
Bunt leuchtet die Zezeljev Brücke am frühen Morgen und verbindet die Altstadt mit der Burg Petrovaradin mit ihrem berühmten Uhrturm, die hoch auf der anderen Donauseite thront und auf die Hauptstadt der Vojvodina herabblickt. Einst war diese Region nahe des heutigen Nationalparks vollkommen unbesiedelt. Kaiserin Maria Theresia von Österreich war es, die hier in der Pannonischen Tiefebene Ansiedlungen errichtete. Heute ist die Stadt die zweitgrößte in Serbien. Ein kurzer Spaziergang durch das Zentrum, durch die Dunavska-Straße zum Trg Slobode, dem Hauptplatz, vorbei an dem Geschäftspalast Gvozden Covek mit der gut erkennbaren Hermesfigur auf der Kuppel, dem eisernen Mann, vorbei an der Kirche „Heilige Maria“, und dem Synagogenkomplex. Bewundernd, fasziniert mich, dass keine orthodoxe Kirche zu sehen ist. Schnell werde ich eines Besseren belehrt. Novi Sad ist katholisch, die Orthodoxie beginnt auf dem Balkan, also Richtung Belgrad.
Und weiter geht der Reigen, in Bussen auf das Land. Das Kloster Petkovica. Hier endlich treffe ich auf die orthodoxe Glaubensrichtung. Das kleine Nonnenkloster aus dem 16. Jahrhundert, benannt nach dem Heiligen Petka ist ein Dreikonchenbau mit polygonaler Kuppel. Der Glockenturm kam erst später dazu. Berühmt ist das Kloster für seine Weine und seine heilenden Salben. Die Nonnen kennen die Natur und nutzen sie intensiv. Und weil so viele Besuche am Vormittag hungrig machen, geht es auch direkt weiter zu einem echten Erlebnis auf dem Land. Bei „Tosha“, so nennt sich der 89-jährige Bauer Theodor, und seiner Familie wird eingekehrt. Zünftige Musik, bodenständiges Essen aus Gulasch und serbische Spezialitäten, Salate und natürlich Wein, lockern die Stimmung auf. Lebhaftes Treiben und enthusiastische Begeisterung machen sich breit. Jelena, die mit mir reist, aus Serbien stammt und ihre Heimat das letzte Mal vor vielen Jahren besuchte, ist gerührt und in ihrem Element. Solche Momente sind es, die ein Kreuzfahrtgast sucht. Stippvisite, kurzes Erlebnis, Herzlichkeit.
Und ehe man sich versieht, ist man auch schon in der serbischen Hauptstadt. Belgrad, mit seiner langen und imposanten Einfahrt in die Stadt. Das Westtor, der Genex-Turm, ein wie ein Tor gebautes, ehemaliges Versicherungsgebäude begrüßt die Ankommenden. Zur Kathedrale des heiligen Sava, der größten orthodoxen Kirche auf dem Balkan, zieht es uns. Erst vor wenigen Jahren fertiggestellt, dank russischer Unterstützung, vorbei am Reiterdenkmal von Mihailo Obrenovic, von den Belgradern als „das Pferd“ bezeichnet und als beliebter Treffpunkt bekannt. Ministerien und Prunkbauten säumen die Straße, das zerstörte Verteidigungsministerium aus dem Jugoslawien-Krieg ließ man stehen, als Mahnmal oder auch zum Trotz. Jeder erzählt die Geschichte anders, kommt es mir in den Sinn und ich denke zurück an das kroatische Vukovar der vergangenen Nacht. Überwältigt besichtige ich die Kathedrale des heiligen Sava, so riesig, so von Gold strotzend. Hier zeigt man, was die Kirche kann und will. Der Weg führt uns zu Fuß durch den Kalemegdan-Park zur Belgrader Festung hinauf. Eine wechselvolle Geschichte birgt dieser Komplex, der 1521 von den Osmanen erobert wurde. Ich blicke hinab auf die Stadt. Das Schiff hat einen Schlenker gemacht, denn es fuhr von Novisad weiter nach Belgrad und landete kurz in der Save, dem kreuzenden Fluss in der serbischen Hauptstadt. Neben mir blickt der Pobednik, eine Bronzefigur eines nackten Mannes von einer Säule auf die Stadt. Das sorgte in der Vergangenheit für kontroverse Diskussionen. Heute ist der Nackte ein Wahrzeichen der Stadt. Wie gut, dass unser Schiff erst spät am Abend Belgrad verlässt. So ist es möglich, die erleuchtete Festung und das Ufer der Save zu genießen, bevor es wieder auf die Donau geht. Den Abschied vom Serbenland erleichtert eine eigens an Bord gekommene Folkloregruppe, die Tänze und Trachten vorstellt. Das gefällt allen Reisenden gut. Land und Leute sind immer willkommen.
Denn die wohl schwierigste, aber zugleich eindrucksvollste Passage der Donau steht bevor. Die Katarakenstrecke mit dem berühmten Eisernen Tor. Zum Glück auf der Hinfahrt am helllichten Tag. Wilder ist die Donau geworden und breiter hinter Belgrad, Die Natur ist urwüchsiger, an den Ufern kampieren Menschen in Zelten und Wohnwagen. Die Ruhe an Bord kehrt zurück. Gleichwohl die Spannung auf die Einfahrt zum berühmtesten Stausee im rumänisch-serbischen Grenzgebiet. Das Eiserne Tor wird er genannt. Dabei ist der 150 Kilometer lange und 5,5 Kilometer breite See noch gar nicht so alt, Erst 1972, als Rumänien und Serbien gemeinsam ein Wasserkraftwerk bauten, entstand an dieser Stelle hinter dem 130 Kilometer langen Durchbruchstal zwischen dem serbischen Balkangebirge und den Karpaten dieser einst gefürchtete Flussabschnitt mit zahlreichen Stromschnellen, die heute durch Schleusen gebremst werden. Zwischen 1890 und 96 wurde der Kanal vertieft. Hoch wie Kathedralen erheben sich die mächtigen Felswände. Erhaben stehe ich mit Blick nach oben auf dem Oberdeck und fühle einen sakralen Moment bei der Durchfahrt durch die Passage. Bis endlich das Kloster Mraconia auf einer Felsnase auftaucht und die Einfahrt zum Eisernen Tor markiert. Und da ist ja auch das steinerne Gesicht, das aus dem Felsen hervorspringt. Die aus dem Fels gehauene 40 Meter hohe Skulptur des Dacarkönig Decebalur Rex von Dracan Fecit in Rumänien. Zwölf Bildhauer arbeiteten 10 Jahre von 1994 bis 2004 an diesem Monument. Ich fühle mich in diesem Moment wie die Figur Frodo in dem Film „Herr der Ringe“ auf dem Weg in Saurons Reich. Angekommen im Osten, die Zeit ändert sich. Es ist nun eine Stunde später, die Donau teilt sich nun auf beiden Ufern mit Rumänien und Serbien, daraus wird später Bulgarien als rumänisches Gegenufer.
Und während man so fast lautlos die Donau hinab fährt, die Natur bewundert, Menschen winkt, Schlösser, Burgen, Dörfer an den Ufern bestaunt, ist auch das Leben an Bord stets abwechslungsreich. Ob Kuchenparty mit „high tea“, Eisparty, Tombola oder Quiz, für das leibliche und geistige Wohl ist gesorgt. Vor allem dank Kreuzfahrtleiterin Sabine, die immer ausführlich zu jeder Sehenswürdigkeit am Ufer oder zum Ausflug detaillierte und kommentierte Hintergrundinformationen parat hat. Spannend, unterhaltsam und fokussierend werden wir Reisegäste begleitet. Doch es gibt so viel mehr fleißige Kräfte an Bord, die täglich bemüht sind, mir als Gast eine unvergessliche Reise zu ermöglichen. Wer sind diese Menschen, möchte ich wissen, wo kommen sie her? Zahlreiche Nationen, Kulturen und Lebenswege trifft man hier. Ich frage Kellnerin Daniela. Sie stammt aus Rumänien, ist 47 und seit drei Jahren an Bord. Zwei kleine Kinder warten zu Hause auf ihre alleinerziehende Mutter, werden von den Großeltern versorgt, während sie für die Familie das Einkommen erwirtschaftet. Ihr Arbeitsort an Bord ist ein zweites Zuhause geworden. Die Nähe zur Heimat, die sie ständig wieder durchkreuzt macht ihr den Abstand zur Familie leichter, erzählt sie. Und wenn sie ab und zu Gäste wieder trifft, die schon einmal mit ihr gefahren sind, dann ist die Freude groß. Es sind die kleinen Momente, die sie glücklich machen. Ich bin bewegt; sehe die Kreuzfahrt mit anderen Augen. Fast ist es, als gewinne man in den zwei Wochen der großen Fahrt eine große Familie dazu. Und das sind nicht die Mitreisenden. Das ist die Mannschaft an Bord.
Und schon landen wir wieder im nächsten Land. Tief im Osten sind wir nun in Bulgarien. Wie auch in Serbien ist die Schrift hier kyrillisch. Rousse ist immerhin die fünftgrößte Stadt des Landes. Die Grenzstadt zu Rumänien hat seine besten Zeiten Ende des 19. Jahrhunderts erlebt, als bescheidener Wohlstand sich in dem heute ärmsten Land der Europäischen Union breit machte. Die Hafenstadt blickt auf eine lange Vergangenheit zurück, die in die Römerzeit zurück reicht und in der osmanischen Zeit viel erlebt hat. Heute ist ihre Bedeutung gesunken und mit ihr die Einwohnerzahl. Dennoch sieht es im Zentrum ordentlich aus. Die sozialistische Architektur ist dennoch unverkennbar, Wie gut, dass wenigstens das Opernhaus noch an vergangene Zeiten erinnert. Etwas außerhalb der Stadt treffe ich auf ein kurioses Konstrukt. Es ist ein Höhlenkloster. Bassarbowski heißt es, nahe dem Ort Bassarbowo. Hier lebten einst vier orthodoxe Mönche, heute ist es nur noch einer, erzählt die bulgarische Reiseleiterin. Denn das Schicksal raffte im vergangenen Jahr die übrigen drei von Ihnen bei einem Unfall dahin. Keine schöne Anekdote. Um so schöner ist es, über das Kloster zu erfahren, dass erst 1937 wieder Mönche in die Felsen bei Basarbovo einzogen. In der kleinen Höhle, die man über ein paar Stufen einer steilen Treppe erreicht, soll der Heilige Dimitrij einst geschlafen haben. Stille, Einkehr, Besinnung. Das verspüre ich, als ich die Klause eines Mönchs betrete, in den Fels gehauen, mit Blick über die Landschaft. Ruhe. Hier findet man zu sich. Ein ganz anderes Bulgarien, als man es vielleicht von den pulsierenden Stränden am Schwarzen Meer kennt.
Nicht weit ist es mehr bis ins Donaudelta. Die Fahrt geht durch Rumänien und endet mit dem Schiff in Braila. Eine hübsche, kleine Provinzstadt mit einer malerischen Altstadt und einem imposanten Opernhaus. Eigentlich sollte die Fahrt bis zur Hafenstadt Tulcea gehen, doch weil sich die Donau den Weg zwischen Rumänien und der krisengeschüttelten Ukraine teilt, geht es mit Bussen dorthin. Das Donaudelta erwartet uns. Mit kleinen Schnellbooten oder einem gemütlichen Ausflugsdampfer. Ich wähle die zweite Variante, die entspannte, naturfreundliche und gemütliche Fahrt. Von den 5800 Quadratkilometern, die sich in Feuchtgebieten, kleinen Kanälen in der rumänischen Landschaft Dobrudscha verzweigt, fahren wir nur ein Stück. Angestrengt halten alle Mitfahrenden Aussicht nach seltenen Vögeln, treffen an den Ufern aber zunächst vorwiegend angelnde, grillende oder kampierende Bewohner menschlicher Natur, die uns freudig grüßen. Dann endlich. Ein großer, schwarzer Seeadler hockt oben auf einer Baumspitze. Graue Fischreiher, weiße Seidenreiher und Kormorane begleiten unseren Weg. Eine Schar Pelikane gibt sich vor dem großen Becken in Richtung Schwarzes Meer ein Stelldichein, tanzt auf dem Wasser, kreist in den Lüften, ein herrliches Spektakel. Der Weg hat sich gelohnt. Das letzte Wegstück vor dem Rückweg war ein erhebendes Erlebnis.
Nach so viel Natur steht allen Reisenden der Sinn nach Großstadt, Flair und Metropole. Genau das verspricht der kommende Tag. Bukarest, Rumäniens Hauptstadt, vielen Reisenden weitgehend unbekannt. Nur den beseitigten Schreckensherrscher Nicolae Ceausescu kennt man noch. Und der hat die Stadt in den 40 Jahren seiner Herrschaft entscheidend geprägt. Der 1983-89 erbaute Parlamentspalast, ein protziges, gewaltiges Gebäude und tatsächlich das zweitgrößte Gebäude der Welt, liegt am etwa drei Kilometer langen Bulevardul Uniri und war früher das „Haus des Volkes“. Vor einigen Jahren wollte ein bekannter Amerikaner das Gebäude kaufen, Donald Trump. Er verschluckte sich an dem Kaufpreis von 4 Milliarden Dollar und so blieb der Bau im Besitz des Landes, wurde restauriert und dient heute auch als Kongress-Zentrum. Nicht umsonst gilt Bukarest als das „Paris des Ostens“, die Stadtrundfahrt führt uns vorbei am Triumphbogen, der Straße Pasajul Victorei mit seinen bunten Regenschirmen, dem Athenäum, der Ceaucescu-Villa, der neuen St. Georgskirche, dem Platz der Revolution mit seinem Reiterdenkmal zum Bauernmuseum, in dem ich eindrucksvoll die Geschichte des rumänischen Landlebens auf engem Raum erleben kann.
Schade, dass die Zeit so kurz ist an diesem Ausflugstag. Denn die Altstadt mit ihrem jungen Flair versprüht ein Gefühl der Sinnlichkeit, ruft nach Mehr, erweckt das Gefühl von „sich treiben lassen“ und der Hoffnung auf baldige Wiederkehr, um den prachtvollen Bauten des 19. Jahrhunderts mit ihren Fassaden zu frönen, die den Charme des gestrigen versprühen und auf Wiederentdeckung warten. Erholung und Entspannung an Bord bilden das Programm des nächsten Tages und dienen den Reisenden als willkommene Aktivität nach einem anstrengenden Ausflugstag. Was gibt es schöneres, als sich bei warmem Sommerwetter dem Naturgenuss der wilden Donauufer hinzugeben, die Tier- und Pflanzenwelt der meist unbevölkerten Ufergebiete zu genießen und einfach nur das Bordleben in sich aufzusaugen? Vielleicht bei einem entspannenden Bad im Bord-Pool?
Zurück in Serbien bietet der Vormittag den spannenden Ausflug in die skurrile Festung Golubac, auch Taubenstadt genannt, die mit ihren markanten Türmen direkt am Donauufer einst Wehrfestung mit besonderer Bedeutung im Kampf gegen das osmanische Reich war. Das fein herausgeputzte Städtchen Pecs in Ungarn mit seiner Bedeutung für die Keramik-Industrie, die Stadt Mohacs mit ihrer traurigen Vergangenheit als Verluststätte des Kampfes gegen das osmanische Reich und ihrer Gegenwartsbedeutung als Stadt des ungarischen Karnevals gestalten den kommenden Tag meiner Rückfahrt auf der Donau. Die Länder fliegen an mir vorbei, ich verliere das Gefühl für Zeit und Raum, die Uhrzeit ist längst wieder zurückgestellt und wäre da nicht ab und zu eine Flagge am Ufer, die signalisiert, in welchem Land ich mich auf der einen oder anderen Seite der Donau befinde, so könnte man fast vergessen, wo man ist. Gäbe es eine Uhr, die man an jener Stelle anhalten könnte, an der man sich wünscht, das Leben müsse immer so weiter gehen, dann wäre der Zeitpunkt für manchen wohl genau jetzt. In der unbeschwerten Leichtigkeit des Reisens auf der Donau.
Zu schade ist mir der Halt in Budapest, als dass ich bereits am Morgen eintreffend, einen Ausflug ins nahe Szentendere machen will. Gegenüber der berühmten Markthalle, der Kettenbrücke, auch Freiheitsbrücke, genannt, der Elisabethbrücke, und dem Gellertbad als eines der zahlreichen Thermal Bäder Budapests, habe ich gleich mehrere Ziele, die meinen Tag in der ungarischen Hauptstadt ausfüllen, bevor ich die berühmte Vaci Utca, die Haupteinkaufsstraße, hinunter spaziere und zum legendären Kaffeehaus Gerbeaud mit seine KuK-Vergangenheit gelange um eine stil- und genussvolle Pause auf höchstem Niveau einlege und die Kaffee- und Kuchenspezialitäten genieße - in eleganter Atmosphäre aus längst vergangenen Zeiten der Habsburger Monarchie. Immerhin war das Café einst Hoflieferant und international bekannt, dank der Konditor-Familie Kugler. Wer will, kann auch die Buda-Seite der Stadt mit seinem Burgpalast besuchen und dort einen herrlichen Blick auf Parlament und die Pest-Seite der Stadt genießen. Denn immerhin liegt die Hauptstadt nicht nur auf zwei Seiten der Donau, es hat sich einst im Jahr 1873 zu einer Stadt vereint. Den Sonnenuntergang an Bord genießend und die traumhafte Ausfahrt aus der Stadt im Licht der rot leuchtenden, versinkenden Sonne mit Blick auf beide Seiten der Metropole, erlebe ich die letzten Momente in dieser pulsierenden Stadt, deren Besuch vor allem auch mit einer Übernachtung nach Wiederholung ruft.
Bereits auf der Hinfahrt durfte ich die stolze Festung auf dem Berg, den Hrad und Präsidentenpalast erleben. Darunter schlängelt sich in malerischen Gassen die kleine, aber feine Hauptstadt der Slowakei. Die Slowakei als sehr junges, erst 1993 unabhängig gewordenes Land, war in seiner Geschichte immer ein Teil eines anderen Landes. Mal waren es die Ungarn, dann die Osmanen, danach die Habsburger, unter denen das Volk der Slowaken sicherlich seine beste Zeit hatte, bevor es anschließend den Tschechen angeschlossen wurde und nun endlich seit einigen Jahren selbst über sein Schicksal entscheiden darf. Entsprechend stolz ist man auf seine Errungenschaften als Land der Europäischen Union mit gewissem Wohlstand und zeigt daher auch gerne sein Erreichtes. Zwar stammt „das Ufo“ noch aus sozialistischen Zeiten und bildet sicherlich mit seiner Form als raumschiffähnlicher Brückenkopf ein unverwechselbares Kuriosum. Doch tritt man in die donaunahe Altstadt ein, fühlt man sich in die Zeit des 19. Jahrhunderts versetzt. Die zahlreiche Denkmäler, wie etwa der Gullimann Cumil, der schöne Naci Ignác Lamár oder auch der Napoleon-Soldat Hubert bilden trefflich den slowakischen Humor ab, der augenzwinkernd-satirisch die Vergangenheit kommentiert und sich über die eigene Identität belustigt.
Nach einem Bummel zum bedeutenden Martinstor zieht es mich in das berühmteste Café der Stadt, die Konditorei Kormuth. Wieder ein KuK-Café, wieder ein Hoflieferant. Aber anders als in Budapest ist es hier vor allem die süße, überzogene Kitschigkeit der Innendekoration, die den Reiz eines Besuchs ausmacht. Engelchen, barocke Wandbilder sakraler Ausrichtung in rosa und blau lassen vermuten, hier ist man richtig in einer Kathedrale der Konditorkunst gepaart mit einem Interieur aus dem 16.-19. Jahrhundert. Ein göttliches Erlebnis, ohne dass ich Bratislava, die kleine Hauptstadt am großen Fluss Donau, nicht verlassen darf.
Wehmut überkommt mich, als die gewaltigen Türme des Stifts Melk in der Ferne auf mich zukommen. Denn ich weiß, dass meine Reise schon am kommenden Tag zu Ende gehen wird. 14 lange und abwechslungsreiche Tage, von denen ich keinen Moment vermissen möchte, die mich der Donau mit ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit als längstem Fluss Europas mit 2850 Kilometern so nahegebracht haben, wie ich es mit einem anderen Verkehrsmittel als dem Schiff, nie erlebt hätte. So schaue ich wehmütig aber zugleich gespannt auf die gelben Türme des pompösen Stifts Melk, das heute UNESCO-Weltkulturerbe ist und 1702-46 errichtet wurde. Der Besuch der atemberaubend barocken Stiftsmauern, die als Sinnbild des Barocks gelten, trösten mich über das Ende meiner Reise hinweg. Der heilige Koloman als Schutzpatron des Stifts meint es noch einmal gut und sendet schönes Wetter zum letzten Tag, der diesen wundervollen Abschluss in der berühmten Kirche oberhalb der Donau findet.
Nach Linz an der Donau reist man am besten mit der Bahn an, aus der Schweiz gibt es einen Zubringerbus, aber auch hier ist die Bahnfahrt die bequemere, individuelle Variante. In Linz selbst muss man vom Bahnhof noch ein Taxi zum Anlegeort vor der Stadt, dem „Modellflugplatz“ nehmen, die Taxifahrer kennen den Ort im Industriegebiet von Linz.
Buchbar ist die Reise direkt auf der Website der Gesellschaft Thurgau Travel.
Das Gellertbad direkt gegenüber dem Anleger ist eine der ersten Adressen der zahlreichen Thermalbäder.
Stilvoll Kaffee trinken kann man im berühmten Kaffeehaus Gerbeaud.
Hier nimmt man seinen Kaffee am besten in der Konditorei Kormuth im Zentrum ein.
Hier trinkt man seinen Café im Grand Café Van Gogh.
Autor: Philip Duckwitz
Diese Reise wurde durchgeführt mit freundlicher Unterstützung von Thurgau Travel.
© Fotos: Philip Duckwitz, pixabay.com (Ian Kelsall, Albrecht Fietz, Jarko, Mariana Anatoneag, falco)
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