"Toronto ist eigentlich wie New York, nur dass die Menschen viel freundlicher und weniger aufgeregt sind. Und: Du kennst vieles aus dem Kino, denn gedreht wird dort an jeder Ecke."
Diesen Satz meines Hausnachbarn packe ich mir ins Reisegepäck, als es für einen Kulturtrip in die kanadische Metropole geht. Positiv bestätigt wird er schon auf dem Flughafen in Toronto, als mir ein überaus freundlicher Grenzbeamter einen tollen Urlaub in "seiner" Stadt wünscht. Wenig später fühle ich mich in den tiefen Häuserschluchten in die Skyline von New York versetzt. Blaue Fensterfronten, die durch blanken Stahl getragen werden und Hochhäuser, die scheinbar an den Wolken kratzen, sorgen für das gleiche harte Schlaglicht wie in New York.
Nur der Autoverkehr hat keine Lust auf Vergleiche mit der Hudson-Metropole: Ruhig und nicht durch Staus gestört, gleiten die Stahlrösser durch die Schluchten aus verspiegelten Fassaden. Das Geschrei der Möwen, die mit der Thermik der Hochhäuser spielen, übertönt die Motorengeräusche mit lautem Nachdruck. Nicht nur ich bin von der Atmosphäre in der multikulturell geprägten Stadt am Nordwestufer des Lake Ontario begeistert: Elton John spielte hier vor ein paar Jahren ein Konzert – und entschied sich umgehend, seinen Lebensmittelpunkt nach Toronto zu verlegen. Der weltberühmte Regisseur Guillermo Del Torro – er führte u. a. Regie bei Pans Labyrinth – genoss bei einigen seiner Filme das Zusammenwirken kanadischer Filmcrews mit den Kulissen dieser Metropole. Ihm gefiel das Aufeinanderprallen moderner und historischer Architektur so sehr, dass er seinen Oscar-gekrönten Film „Shape of Water“ gleich um die Ecke an seinem neuen Wohnort spielen ließ. So diente ihm das Elgin Theater in der Yonge Street als opulente Kulisse für sein Kinomärchen.
Actionfilm-Regisseur David Ayer drehte seinen Welterfolg „Suicide Squad“ in der gesamten Innenstadt und ließ ganze Straßenzüge für fliegende Autos und durchgedrehte Superhelden sperren.
In Gesprächen mit Einheimischen wird mir verschiedentlich versichert, dass man fast kindlich stolz sei, wenn man gerade einmal wieder die eigene Straßenecke in einem Blockbuster entdeckt hätte. Und das geschieht wahrlich nicht selten. Wie auch, wenn mehr als 700 Filmproduktionen, vom Musikvideo bis zum Monumentalfilm, jährlich hier gedreht werden. Mehr als die Hälfte aller Projekte laufen über amerikanische Schreibtische. Gerade wenn New York als Kulisse gefordert wird und die Drehgebühren am Hudson in astronomische Höhen schießen, springt Toronto als günstige Alternative im Norden gern in die Bresche.
So wandelte Meghan, Herzogin von Sussex, als sie noch Meghan Markle hieß, als Rechtsanwaltsgehilfin Rachel Zane durch Downtown Toronto. Und ließ die Gegend ganz nonchalant wie 5th Avenue New York erscheinen. Doch das ist nicht alles: In der Hauptstadt Ontarios treffen edle historische Bauten auf angelsächsisch anmutende Lagerhäuser. Art Deco Bauten spiegeln sich in Wolkenkratzern, die einst Mies van der Rohe entwarf. Deshalb finden ausgebuffte Location-Scouts in jedem Stadtteil eine treffende Kulisse für Musical-Komödien wie Blues Brothers 2000 oder Action Filme wie Resident Evil. Die Stadt unterstützt internationale Produktionen und sperrt schon mal ganze Viertel für einen grünen Hulk oder einen wütenden "American Psycho".
Wer es romantischer mag, kann das Casa Loma besichtigen. Torontos "Neuschwanstein" liegt als Inbegriff einer Märchenburg standesgemäß etwas oberhalb der Stadt. In seinen Mauern wurden Filmen wie „Cocktail“ oder „Chicago“ oft die prosaischen Noten gegeben. Auch die schönen Parks der Stadt lohnen einen Besuch; allen voran der flächenmäßig größte – der High Park direkt beim Lake Ontario – mit Gärten, Freizeitanlagen und Zoo. Denn Toronto kann selbstverständlich einiges mehr als nur Filmkulisse sein. Der Nahverkehr ist beispielhaft für ganz Nordamerika, mit Bussen und Bahnen kommt man in die abgelegensten Ecken. Die ideale Art, die Stadt kennenzulernen, ist aber ein ausgedehnter Spaziergang. Das Straßensystem ist leicht zu durchschauen und viele Viertel sind stolz auf ihre Gründerahnen. So gibt es ein portugiesisches Quartier neben Little Italy, das seinerseits an Koreatown grenzt. Die Viertel rund um Downton sind fußgängerfreundlich angelegt und fordern mit ihren Cafés und Restaurants zum Verweilen auf. Über 80 verschiedene Ethnien prägen die Neighbourhoods mit ihrer Kultur und ihren Speisevorlieben. Ich nehme mir für meinen Stadtbummel zwei Tage Zeit. Und habe das Gefühl, die Erde nicht in 80 Tagen, sondern in 48 Stunden kulinarisch zu umrunden. Selten habe ich eine Metropole bereist, in der so viele unterschiedliche Kulturen und Nationen friedlich ihre Suppen miteinander kochen und die unterschiedlichsten Nationalgetränke nebeneinander anbieten.
Hervorragend kann man die Neighbourhoods bei einem der vielen Festivals kennenlernen. Zum Beispiel beim jährlichen "Vaisakhi New Year Festival" – der größten Parade der Sikhs in Kanada (www.osgc.ca). Oder beim "Beaches International Jazz Festival" (5. bis 28. September 2019, www.beachesjazz.com). Konzerte und Workshops tauchen die Stadt hier in hochkarätige musikalische Klänge. Auch das jüdische "Biennal Ashkenaz Festival" – u. a. mit internationaler Musik – ist unbedingt einen Besuch wert (www.ashkenaz.ca). Und beim größten karibischen Festival Nordamerikas, dem "Caribana Carnival Toronto", feiert man jedes Jahr ausgelassen wie in tropischen Gefilden. (www.caribanatoronto.com, Parade: 1. August 2019). Toronto ist ein Melting Pot der Kulturen, das wissen die US-Amerikaner auch – und reisen häufig zum feierwütigen Nachbarn in den Norden.
Ich genieße während meines Aufenthaltes bei einigen Museumsbesuchen auch die hiesige kulturelle Vielfalt. Die Hauptstadt Ontarios sieht sich als Repräsentantin der kanadischen Kunstszene und lädt Gäste in eine Vielzahl von Museen und Galerien ein. Zwei Häuser ragen heraus: Zum einen das AGO (Art Gallery of Ontario); fast 5.000 vorwiegend zeitgenössische Kunstwerke in mehr als hundert Räumen sind zu besichtigen (www.ago.ca). Und zum anderen das ROM (Royal Ontario Museum). Es ist das größte Museum Kanadas und seine umfangreiche Sammlung zum Thema "First Nations" über die ersten Siedler des Kontinents gehört zu den größten in ganz Nordamerika (www.rom.on.ca). Das Gebäude selbst ist ein Blickfang: Der weltbekannte Architekt Daniel Libeskind gestaltete den kristallförmigen Anbau an das historische Haus. Dass Toronto auch für Liebhaber der internationalen Küche ein Paradies ist, erlebt man spätestens, wenn man die Pforten der altehrwürdigen und wunderschönen St. Lawrence Markthalle durchschreitet: Denn der Weg zwischen deutschen Kartoffeln und einem Kwae Teow, einem Reisnudelgericht aus China, ist hier erstaunlich kurz.
Autor: Wolfgang Siesing
Weitere Informationen: www.seetorontonow.com
© Fotos: Wolfgang Siesing, Tourism Toronto, www.seetorontonow.com
"Toronto ist eigentlich wie New York, nur dass die Menschen viel freundlicher und weniger aufgeregt sind. Und: Du kennst vieles aus dem Kino, denn gedreht wird dort an jeder Ecke."
Diesen Satz meines Hausnachbarn packe ich mir ins Reisegepäck, als es für einen Kulturtrip in die kanadische Metropole geht. Positiv bestätigt wird er schon auf dem Flughafen in Toronto, als mir ein überaus freundlicher Grenzbeamter einen tollen Urlaub in "seiner" Stadt wünscht. Wenig später fühle ich mich in den tiefen Häuserschluchten in die Skyline von New York versetzt. Blaue Fensterfronten, die durch blanken Stahl getragen werden und Hochhäuser, die scheinbar an den Wolken kratzen, sorgen für das gleiche harte Schlaglicht wie in New York.
Nur der Autoverkehr hat keine Lust auf Vergleiche mit der Hudson-Metropole: Ruhig und nicht durch Staus gestört, gleiten die Stahlrösser durch die Schluchten aus verspiegelten Fassaden. Das Geschrei der Möwen, die mit der Thermik der Hochhäuser spielen, übertönt die Motorengeräusche mit lautem Nachdruck. Nicht nur ich bin von der Atmosphäre in der multikulturell geprägten Stadt am Nordwestufer des Lake Ontario begeistert: Elton John spielte hier vor ein paar Jahren ein Konzert – und entschied sich umgehend, seinen Lebensmittelpunkt nach Toronto zu verlegen. Der weltberühmte Regisseur Guillermo Del Torro – er führte u. a. Regie bei Pans Labyrinth – genoss bei einigen seiner Filme das Zusammenwirken kanadischer Filmcrews mit den Kulissen dieser Metropole. Ihm gefiel das Aufeinanderprallen moderner und historischer Architektur so sehr, dass er seinen Oscar-gekrönten Film „Shape of Water“ gleich um die Ecke an seinem neuen Wohnort spielen ließ. So diente ihm das Elgin Theater in der Yonge Street als opulente Kulisse für sein Kinomärchen.
Actionfilm-Regisseur David Ayer drehte seinen Welterfolg „Suicide Squad“ in der gesamten Innenstadt und ließ ganze Straßenzüge für fliegende Autos und durchgedrehte Superhelden sperren.
In Gesprächen mit Einheimischen wird mir verschiedentlich versichert, dass man fast kindlich stolz sei, wenn man gerade einmal wieder die eigene Straßenecke in einem Blockbuster entdeckt hätte. Und das geschieht wahrlich nicht selten. Wie auch, wenn mehr als 700 Filmproduktionen, vom Musikvideo bis zum Monumentalfilm, jährlich hier gedreht werden. Mehr als die Hälfte aller Projekte laufen über amerikanische Schreibtische. Gerade wenn New York als Kulisse gefordert wird und die Drehgebühren am Hudson in astronomische Höhen schießen, springt Toronto als günstige Alternative im Norden gern in die Bresche.
So wandelte Meghan, Herzogin von Sussex, als sie noch Meghan Markle hieß, als Rechtsanwaltsgehilfin Rachel Zane durch Downtown Toronto. Und ließ die Gegend ganz nonchalant wie 5th Avenue New York erscheinen. Doch das ist nicht alles: In der Hauptstadt Ontarios treffen edle historische Bauten auf angelsächsisch anmutende Lagerhäuser. Art Deco Bauten spiegeln sich in Wolkenkratzern, die einst Mies van der Rohe entwarf. Deshalb finden ausgebuffte Location-Scouts in jedem Stadtteil eine treffende Kulisse für Musical-Komödien wie Blues Brothers 2000 oder Action Filme wie Resident Evil. Die Stadt unterstützt internationale Produktionen und sperrt schon mal ganze Viertel für einen grünen Hulk oder einen wütenden "American Psycho".
Wer es romantischer mag, kann das Casa Loma besichtigen. Torontos "Neuschwanstein" liegt als Inbegriff einer Märchenburg standesgemäß etwas oberhalb der Stadt. In seinen Mauern wurden Filmen wie „Cocktail“ oder „Chicago“ oft die prosaischen Noten gegeben. Auch die schönen Parks der Stadt lohnen einen Besuch; allen voran der flächenmäßig größte – der High Park direkt beim Lake Ontario – mit Gärten, Freizeitanlagen und Zoo. Denn Toronto kann selbstverständlich einiges mehr als nur Filmkulisse sein. Der Nahverkehr ist beispielhaft für ganz Nordamerika, mit Bussen und Bahnen kommt man in die abgelegensten Ecken. Die ideale Art, die Stadt kennenzulernen, ist aber ein ausgedehnter Spaziergang. Das Straßensystem ist leicht zu durchschauen und viele Viertel sind stolz auf ihre Gründerahnen. So gibt es ein portugiesisches Quartier neben Little Italy, das seinerseits an Koreatown grenzt. Die Viertel rund um Downton sind fußgängerfreundlich angelegt und fordern mit ihren Cafés und Restaurants zum Verweilen auf. Über 80 verschiedene Ethnien prägen die Neighbourhoods mit ihrer Kultur und ihren Speisevorlieben. Ich nehme mir für meinen Stadtbummel zwei Tage Zeit. Und habe das Gefühl, die Erde nicht in 80 Tagen, sondern in 48 Stunden kulinarisch zu umrunden. Selten habe ich eine Metropole bereist, in der so viele unterschiedliche Kulturen und Nationen friedlich ihre Suppen miteinander kochen und die unterschiedlichsten Nationalgetränke nebeneinander anbieten.
Hervorragend kann man die Neighbourhoods bei einem der vielen Festivals kennenlernen. Zum Beispiel beim jährlichen "Vaisakhi New Year Festival" – der größten Parade der Sikhs in Kanada (www.osgc.ca). Oder beim "Beaches International Jazz Festival" (5. bis 28. September 2019, www.beachesjazz.com). Konzerte und Workshops tauchen die Stadt hier in hochkarätige musikalische Klänge. Auch das jüdische "Biennal Ashkenaz Festival" – u. a. mit internationaler Musik – ist unbedingt einen Besuch wert (www.ashkenaz.ca). Und beim größten karibischen Festival Nordamerikas, dem "Caribana Carnival Toronto", feiert man jedes Jahr ausgelassen wie in tropischen Gefilden. (www.caribanatoronto.com, Parade: 1. August 2019). Toronto ist ein Melting Pot der Kulturen, das wissen die US-Amerikaner auch – und reisen häufig zum feierwütigen Nachbarn in den Norden.
Ich genieße während meines Aufenthaltes bei einigen Museumsbesuchen auch die hiesige kulturelle Vielfalt. Die Hauptstadt Ontarios sieht sich als Repräsentantin der kanadischen Kunstszene und lädt Gäste in eine Vielzahl von Museen und Galerien ein. Zwei Häuser ragen heraus: Zum einen das AGO (Art Gallery of Ontario); fast 5.000 vorwiegend zeitgenössische Kunstwerke in mehr als hundert Räumen sind zu besichtigen (www.ago.ca). Und zum anderen das ROM (Royal Ontario Museum). Es ist das größte Museum Kanadas und seine umfangreiche Sammlung zum Thema "First Nations" über die ersten Siedler des Kontinents gehört zu den größten in ganz Nordamerika (www.rom.on.ca). Das Gebäude selbst ist ein Blickfang: Der weltbekannte Architekt Daniel Libeskind gestaltete den kristallförmigen Anbau an das historische Haus. Dass Toronto auch für Liebhaber der internationalen Küche ein Paradies ist, erlebt man spätestens, wenn man die Pforten der altehrwürdigen und wunderschönen St. Lawrence Markthalle durchschreitet: Denn der Weg zwischen deutschen Kartoffeln und einem Kwae Teow, einem Reisnudelgericht aus China, ist hier erstaunlich kurz.
Autor: Wolfgang Siesing
Weitere Informationen: www.seetorontonow.com
© Fotos: Wolfgang Siesing, Tourism Toronto, www.seetorontonow.com
© Copyright 2024 Die neue Reiselust