Dublin im Winter, die Luft ist klar und ein frischer Wind grüßt von Nord-West. Kann es eine bessere Gelegenheit geben, Francis Bacon, einen der berühmtesten Söhne der Stadt, in seinem Atelier zu besuchen? Definitiv nicht. Der in Dublin geborene Maler (1909 bis 1992) beließ es seinerzeit nicht dabei, Farben und Formen auf die Leinwand zu bringen. Er führte mit seiner Kunst einen Kampf gegen die bürgerliche Ordnung und gegen die Prüderie: In seinen Werken ringen voluminöse Körper um ihr Dasein; schwere Farben schälen sich aus dem Dunkel der Leinwände.
Bacon wechselte schon in jungen Jahren mehrfach den Wohnsitz. Sein Vater Edward Bacon arbeitete für die britische Regierung in diversen Städten und Ländern. Dieses Driften von Stadt zu Stadt und Schule zu Schule wurde für den jungen Francis lebensbestimmend. Der Maler entwickelte dabei früh eine starke Leidenschaft für die trügerischen Gefährten Glücksspielsucht und Alkohol. Ein Anker im wogenden Meer vieler Krisen wurde ihm sein Atelier im Londoner Stadtteil South Kensington, in dem er von 1961 bis zum letzten Atemzug malte. Diese Räume sind von einem Team aus Restauratoren, Freunden und Kuratoren in der Dublin City Gallery The Hugh Lane wieder zu neuem Leben erweckt worden. Zu sehen ist in den Räumlichkeiten gelebtes Chaos aus Bildern, zerdrückten Öltuben und zerschlagenen Möbelteilen. Ein Schlachtfeld des Wirkens bäumt sich hier vor dem staunenden Betrachter auf.
„Dieser Irrsinn, dieses Chaos ist ein Spiegelbild meiner Seele. Es ist ein verdammt gutes Abbild von dem, was sich unausweichlich jeden Tag in meinem Kopf abspielt. Mein Leben, mein Dasein ist wie dieses Atelier.“ bilanzierte Bacon einmal in einer weltbekannten BBC-Reportage über sein Leben. Die Rekonstruktion ist hervorragend geglückt und spätestens wenn man die leeren Teetassen an der Staffelei erblickt, erwartet man jeden Moment, dass der Maler persönlich auftaucht. Die City Gallery The Hugh Lane erweitert den Atelierbesuch um einen eigenen großen Francis Bacon Saal und bettet dieses Refugium in eine hervorragende Sammlung zeitgenössischer Kunst ein.
Dublin als Kunstadresse wird selten mit großen Kunstmetropolen wie Paris, London, Berlin und Amsterdam in einem Atemzug genannt. Dabei wird gerne vergessen, dass die Stadt am Liffey bis vor 150 Jahren die bedeutendste Stadt des British Empire nach London war. Stumme Zeitzeugen dieser großen Epochen erblickt man überall in der großbürgerlichen Architektur und in den Sammlungen der Dubliner Museumslandschaft. Das unangefochtene Musterbeispiel für eine phantastische Ausstellungskultur ist die National Gallery. Sie ist erst vor kurzer Zeit mit einer bombastischen Feier wiedereröffnet worden.
Sechs Jahre war der komplette Westflügel geschlossen. Sechs Jahre wurde gemauert und gestrichen, doch im Sommer 2017 konnte der kräftig geliftete Bau einer begeisterten Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Die National Gallery in Dublin kann auf fast 160 Jahre Kunst- und Wirkungsgeschichte zurückblicken. Stilecht ist die 15.000 Gemälde umfassende Sammlung in einem imposanten Stadtpalais am Merrion Square, unweit des Trinity College untergebracht. Die Präsentation der Bilder ist inhaltlich und farblich gegliedert. So behaupten sich im munteren Themenreigen Picasso neben Goya und Velazquez und Monet neben dem irischen Heroen Jack B. Yeats. Im Ganzen präsentiert sich eine Sammlung, die sich vor anderen Nationalgalerien absolut nicht verstecken muss. Historische Malergrößen werden regelmäßig konfrontiert mit zeitgenössischen Sonderausstellungen, so dass der stilistische Bruch anscheinend zu einem Prinzip erkoren wird.
Findet man mit „Die Gefangennahme Christi“ einen Caravaggio an den Wänden, kann man sicher sein, dass das Bibelthema umgehend durch einen anderen Stil und eine andere Farbwelt gekontert wird. So präsentiert sich in unmittelbarer Nachbarschaft ein kleiner, feiner Saal – angefüllt mit Werken der Familie Yeats. Alle Malerinnen und Maler sind Mitglieder des nicht nur in Irland populären Clans, deren wohl bekanntester Vertreter der Literat und Nobelpreisträger William Butler Yeats ist. Auffällig ist die Wahl der kräftigen Wandtöne: In Dublin liebt man starke Kontraste. „Wir lieben letztendlich auch die schweren Farbtöne unseres Guinness und Whiskys – den klaren Gin überlassen wir gern den Nachbarn in London“, gibt mir ein redseliger Museumswächter mit auf den Weg ins sonnige Freie. Das dankbare Privileg der irischen Hauptstadt liegt unter anderem in der Vielzahl ihrer Kulturtempel. Hier sei noch explizit das Irish Museum of Modern Art (IMMA), das Trinity College Dublin sowie das Dublin Writers Museum genannt.
Aber Dublin wäre nicht Dublin, wenn neben dem Rubens an der Wand nicht auch das Guinness auf dem Tresen innig geliebt würde. Eventuell in Edinburgh und London kann der Bargänger auf eine solche Vielzahl guter Pubs zurückgreifen, die sich die Patina und Schönheit in wechselvollen Epochen angeeignet haben. Was kann reizvoller sein, als nach einem aufregenden Museumsbesuch und Spaziergang durch die blaue Stunde am Liffey in das warme Licht eines Pubs zu tauchen? Das Schöne dabei: In Dublin prostet man einander so lange freundlich zu, bis Fremde nicht mehr Fremde sind.
Zwei Pubs aus einer Vielzahl an guten „Tresen“ haben sich tief in mein Gedächtnis gegraben: die „Palace Bar“, ein in Ehren ergrautes Pub mit schönen Spiegeln, James Joyce-Bildern an der Wand und Mahagoni-Mobiliar. Nicht von ungefähr trinken die Journalisten der benachbarten „Irish Times“ ihr erstes Feierabend Pint gern auf den Polstern der Bar mit dem herrschaftlichen Namen. Dagegen setzen die „Liquor Rooms“ am Fluss eher auf die Jokerkarte Musik und Cocktails: Das urtümliche Ambiente in den Kellerräumen des Clarence Hotels feiert eine Liaison aus viktorianischer guter Stube und Western Saloon. Auf der kleinen Bühne läuft regelmäßig Live-Music mit Schwerpunkt „Rhythm and Blues meets Irish Folk“. Dazu werden die besten Cocktails der Stadt serviert. Beide Bars bieten exemplarisch eine unvergessliche Kulisse für ansprechende Gespräche. Wer für sich bleiben möchte, wird in Ruhe gelassen, wer Lust auf einen Plausch hat, wird den Abend nicht allein mit seinem Whiskey verbringen.
Dublins kulturelles Herzstück ist die Gegend rund um das Viertel Temple Bar. Der Stadtteil liegt am südlichen Ufer des Liffey und quillt über vor lebenslustigen Kneipen, Cafés, Märkten und Galerien. Am besten verbindet man hier wieder beides, die Liebe zur Kunst und zu einem guten Drink: zum Beispiel im Irish Whiskey Museum in der Grafton Street. Fazit: Mit seiner großen Bandbreite an renommierten Museen und Pubs schafft Dublin gerade in der kalten Jahreszeit ein wahres Kaminfeuer für Herz und Seele.
Autor: Wolfgang Siesing
© Fotos: Wolfgang Siesing, Tourism Ireland, Dublin D02TD99S
Dublin im Winter, die Luft ist klar und ein frischer Wind grüßt von Nord-West. Kann es eine bessere Gelegenheit geben, Francis Bacon, einen der berühmtesten Söhne der Stadt, in seinem Atelier zu besuchen? Definitiv nicht. Der in Dublin geborene Maler (1909 bis 1992) beließ es seinerzeit nicht dabei, Farben und Formen auf die Leinwand zu bringen. Er führte mit seiner Kunst einen Kampf gegen die bürgerliche Ordnung und gegen die Prüderie: In seinen Werken ringen voluminöse Körper um ihr Dasein; schwere Farben schälen sich aus dem Dunkel der Leinwände.
Bacon wechselte schon in jungen Jahren mehrfach den Wohnsitz. Sein Vater Edward Bacon arbeitete für die britische Regierung in diversen Städten und Ländern. Dieses Driften von Stadt zu Stadt und Schule zu Schule wurde für den jungen Francis lebensbestimmend. Der Maler entwickelte dabei früh eine starke Leidenschaft für die trügerischen Gefährten Glücksspielsucht und Alkohol. Ein Anker im wogenden Meer vieler Krisen wurde ihm sein Atelier im Londoner Stadtteil South Kensington, in dem er von 1961 bis zum letzten Atemzug malte. Diese Räume sind von einem Team aus Restauratoren, Freunden und Kuratoren in der Dublin City Gallery The Hugh Lane wieder zu neuem Leben erweckt worden. Zu sehen ist in den Räumlichkeiten gelebtes Chaos aus Bildern, zerdrückten Öltuben und zerschlagenen Möbelteilen. Ein Schlachtfeld des Wirkens bäumt sich hier vor dem staunenden Betrachter auf.
„Dieser Irrsinn, dieses Chaos ist ein Spiegelbild meiner Seele. Es ist ein verdammt gutes Abbild von dem, was sich unausweichlich jeden Tag in meinem Kopf abspielt. Mein Leben, mein Dasein ist wie dieses Atelier.“ bilanzierte Bacon einmal in einer weltbekannten BBC-Reportage über sein Leben. Die Rekonstruktion ist hervorragend geglückt und spätestens wenn man die leeren Teetassen an der Staffelei erblickt, erwartet man jeden Moment, dass der Maler persönlich auftaucht. Die City Gallery The Hugh Lane erweitert den Atelierbesuch um einen eigenen großen Francis Bacon Saal und bettet dieses Refugium in eine hervorragende Sammlung zeitgenössischer Kunst ein.
Dublin als Kunstadresse wird selten mit großen Kunstmetropolen wie Paris, London, Berlin und Amsterdam in einem Atemzug genannt. Dabei wird gerne vergessen, dass die Stadt am Liffey bis vor 150 Jahren die bedeutendste Stadt des British Empire nach London war. Stumme Zeitzeugen dieser großen Epochen erblickt man überall in der großbürgerlichen Architektur und in den Sammlungen der Dubliner Museumslandschaft. Das unangefochtene Musterbeispiel für eine phantastische Ausstellungskultur ist die National Gallery. Sie ist erst vor kurzer Zeit mit einer bombastischen Feier wiedereröffnet worden.
Sechs Jahre war der komplette Westflügel geschlossen. Sechs Jahre wurde gemauert und gestrichen, doch im Sommer 2017 konnte der kräftig geliftete Bau einer begeisterten Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Die National Gallery in Dublin kann auf fast 160 Jahre Kunst- und Wirkungsgeschichte zurückblicken. Stilecht ist die 15.000 Gemälde umfassende Sammlung in einem imposanten Stadtpalais am Merrion Square, unweit des Trinity College untergebracht. Die Präsentation der Bilder ist inhaltlich und farblich gegliedert. So behaupten sich im munteren Themenreigen Picasso neben Goya und Velazquez und Monet neben dem irischen Heroen Jack B. Yeats. Im Ganzen präsentiert sich eine Sammlung, die sich vor anderen Nationalgalerien absolut nicht verstecken muss. Historische Malergrößen werden regelmäßig konfrontiert mit zeitgenössischen Sonderausstellungen, so dass der stilistische Bruch anscheinend zu einem Prinzip erkoren wird.
Findet man mit „Die Gefangennahme Christi“ einen Caravaggio an den Wänden, kann man sicher sein, dass das Bibelthema umgehend durch einen anderen Stil und eine andere Farbwelt gekontert wird. So präsentiert sich in unmittelbarer Nachbarschaft ein kleiner, feiner Saal – angefüllt mit Werken der Familie Yeats. Alle Malerinnen und Maler sind Mitglieder des nicht nur in Irland populären Clans, deren wohl bekanntester Vertreter der Literat und Nobelpreisträger William Butler Yeats ist. Auffällig ist die Wahl der kräftigen Wandtöne: In Dublin liebt man starke Kontraste. „Wir lieben letztendlich auch die schweren Farbtöne unseres Guinness und Whiskys – den klaren Gin überlassen wir gern den Nachbarn in London“, gibt mir ein redseliger Museumswächter mit auf den Weg ins sonnige Freie. Das dankbare Privileg der irischen Hauptstadt liegt unter anderem in der Vielzahl ihrer Kulturtempel. Hier sei noch explizit das Irish Museum of Modern Art (IMMA), das Trinity College Dublin sowie das Dublin Writers Museum genannt.
Aber Dublin wäre nicht Dublin, wenn neben dem Rubens an der Wand nicht auch das Guinness auf dem Tresen innig geliebt würde. Eventuell in Edinburgh und London kann der Bargänger auf eine solche Vielzahl guter Pubs zurückgreifen, die sich die Patina und Schönheit in wechselvollen Epochen angeeignet haben. Was kann reizvoller sein, als nach einem aufregenden Museumsbesuch und Spaziergang durch die blaue Stunde am Liffey in das warme Licht eines Pubs zu tauchen? Das Schöne dabei: In Dublin prostet man einander so lange freundlich zu, bis Fremde nicht mehr Fremde sind.
Zwei Pubs aus einer Vielzahl an guten „Tresen“ haben sich tief in mein Gedächtnis gegraben: die „Palace Bar“, ein in Ehren ergrautes Pub mit schönen Spiegeln, James Joyce-Bildern an der Wand und Mahagoni-Mobiliar. Nicht von ungefähr trinken die Journalisten der benachbarten „Irish Times“ ihr erstes Feierabend Pint gern auf den Polstern der Bar mit dem herrschaftlichen Namen. Dagegen setzen die „Liquor Rooms“ am Fluss eher auf die Jokerkarte Musik und Cocktails: Das urtümliche Ambiente in den Kellerräumen des Clarence Hotels feiert eine Liaison aus viktorianischer guter Stube und Western Saloon. Auf der kleinen Bühne läuft regelmäßig Live-Music mit Schwerpunkt „Rhythm and Blues meets Irish Folk“. Dazu werden die besten Cocktails der Stadt serviert. Beide Bars bieten exemplarisch eine unvergessliche Kulisse für ansprechende Gespräche. Wer für sich bleiben möchte, wird in Ruhe gelassen, wer Lust auf einen Plausch hat, wird den Abend nicht allein mit seinem Whiskey verbringen.
Dublins kulturelles Herzstück ist die Gegend rund um das Viertel Temple Bar. Der Stadtteil liegt am südlichen Ufer des Liffey und quillt über vor lebenslustigen Kneipen, Cafés, Märkten und Galerien. Am besten verbindet man hier wieder beides, die Liebe zur Kunst und zu einem guten Drink: zum Beispiel im Irish Whiskey Museum in der Grafton Street. Fazit: Mit seiner großen Bandbreite an renommierten Museen und Pubs schafft Dublin gerade in der kalten Jahreszeit ein wahres Kaminfeuer für Herz und Seele.
Autor: Wolfgang Siesing
© Fotos: Wolfgang Siesing, Tourism Ireland, Dublin D02TD99S
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