„Nein, Angst von einem Ausbruch habe ich nie“, sagt Flávio Filipe Montrond und lacht über die besorgte Frage seiner Wandergruppe. „Der Pico do Fogo gilt als einer der am besten überwachten Vulkane der Welt“, beruhigt sie der Bergführer.
Der mächtige Kegel des Feuergipfels, so sein Name ins Deutsche übersetzt, erhebt sich in fast perfekter Symmetrie vor den Touristen auf der Kapverden-Insel Fogo. Schon der erste Anblick gebietet Ehrfurcht vor dem Giganten. Mögen Vulkanologen den höchsten Berg der Inselgruppe im Atlantik, mehr als 600 Kilometer vor der Küste des Senegal, auch ständig im Auge haben – als Wanderer nähert man sich dem 2829 Meter hohen Pico mit Respekt, selbst wenn gerade keine Warnstufe gilt. Es ist der einzige aktive Vulkan des Archipels. Auf anderen Inseln der Kapverden gab es zum letzten Mal im Holozän Ausbrüche.
Stetig steigend führt der Bergpfad erst vorbei an von Steinreihen geschützten Gemüsepflänzchen und Weinreben, dann durch fast gänzlich vegetationsloses, schwarzes Lavageröll. Montrond hat den Vulkan bereits mehrere hundert Mal bestiegen und ist stets wohlbehalten zurückgekehrt. „Was für Wanderer viel eher zur Gefahr wird, ist das sie nicht genügend Wasser trinken oder sich nicht ausreichend vor der Sonne schützen.“ Diese brennt auch am heutigen Morgen erbarmungslos von einem strahlend blauen Himmel.
Der Pico do Fogo gehört zu den aktivsten ozeanischen Schichtvulkanen der Welt. Mehr als 30 Mal ist er bereits ausgebrochen, seit die Portugiesen die Insel im 15. Jahrhundert entdeckten, zuletzt 2014. „Wir haben gelernt mit dem Vulkan zu leben“, sagt Montrond. Den letzten Ausbruch hat er selbst miterlebt und half den Bewohnern der Caldera-Siedlung Portela ihre Habseligkeiten vor dem einsetzenden Lavastrom in Sicherheit zu bringen.
Die Einheimischen haben trotz der regelmäßigen Eruptionen ihren Frieden mit dem Vulkan geschlossen. „Wir verdanken ihm die fruchtbare Erde, die hier auf Fogo Wein, verschiedene Obstsorten und sogar Kaffee wachsen lässt“, sagt Montrond. Für den Bergführer sorgt der Bilderbuch-Vulkan zudem seit vielen Jahren für einen ansehnlichen Broterwerb. Oftmals führt er mehrmals pro Woche ausländische Wanderer zum Kraterrand. Oben angekommen empfängt sie eine sanfte Schwefelbrise und eine atemraubende Aussicht.
Viele Kapverden-Urlauber sehen von den zehn Hauptinseln des Archipels oft nicht viel mehr als die Sandstrände vor ihren Hotels auf Sal und Boa Vista. Die beiden östlichsten Inseln sind als Badeziel vor allem bei Pauschalurlaubern beliebt und auch ab Deutschland per Direktflug zu erreichen. Etliche landen an der Praia de Santa Maria auf Sal oder der Praia de Chaves auf Boa Vista. Dort gibt es auch familienfreundliche Hotels und Resorts. Touristisch weit weniger erschlossen ist die naturbelassene Praia de Santa Mónica im Süden von Boa Vista. Wer dem Rummel gänzlich entfliehen will, findet auf der Insel Maio lange Sandstrände, wo noch immer Meeresschildkröten ihre Eier ablegen. Der Archipel hat ein tropisches, aber weitgehend trockenes Klima und kann daher ganzjährig besucht werden. Im europäischen Winter fällt meist gar kein Regen. Selbst in der Regenzeit zwischen August und Oktober gibt es oft nur in den Bergen heftige Niederschläge. Die Wassertemperatur schwankt über das Jahr nur wenig und liegt in der Regel zwischen 23 und 27 Grad. Für einen reinen Strandurlaub sind die Kapverden jedoch eigentlich viel zu aufregend.
Längst hat sich herumgesprochen, dass einige der Inseln fantastische Berglandschaften und Wanderwege bieten Dabei ist der Pico do Fogo längst nicht der einzige Höhepunkt des Archipels. Wer ein wenig Zeit mitbringt, kann verschiedene Inseln mit der Fähre besuchen und dabei entdecken, dass jede ihren ganz eigenen Charakter aufweist. Wer es eilig hat, kann einige der neun bewohnten Inseln auch per Inlandflug erreichen. Mindestens zehn Tage, besser zwei Wochen, sollte man jedoch einplanen, um wenigstens drei bis fünf Inseln intensiv zu erkunden und noch ein paar Strandtage anzuhängen. Manche Kreuzfahrtschiffe haben auch die Kapverden in ihrem Programm und steuern verschiedene Ziele an, was natürlich Zeit spart. Für Wanderer empfiehlt sich ein Aufenthalt vor allem auf Santo Antão, Fogo und Santiago. Aber auch die Blumeninsel Brava mit ihrem besonderen Mikroklima hat reizvolle Wanderwege. São Nicolau gilt vor allem mit seinen wilden Landschaften im Monte-Gordo-Naturpark noch immer als Geheimtipp.
„Für Liebhaber spektakulärer Landschaften gibt es keine vielfältigere Insel als Santo Antão“, sagt João Antonio Delgado, „für mich ist sie die schönste überhaupt.“ Der 49- jährige Wanderführer steht an einem Steilhang und blickt in das tief eingeschnittene Erosionstal Vale do Paúl, das sich hinter spitzen Bergzacken verbirgt. Der Kontrast zur kargen Mondlandschaft am Pico do Fogo könnte kaum größer sein. Das Tal und die sie umgebenden Felswände leuchten in allen erdenklichen Grüntönen von Berggestrüpp, Pinien, Bananenstauden und Zuckerrohrfeldern. Zwar erreichen die Berge der zweitgrößten Insel ganz im Nordwesten des Archipels nicht ganz 2000 Höhenmeter, dennoch sorgt das Gebirge hier als Trennwall für die meisten Niederschläge für eine spektakuläre Zweiteilung der Insel. „Im Südwesten wähnt man sich fast in der Wüste, hier im Nordosten mancherorts wie im Dschungel“, sagt der Guide, „für Wanderer ist es oft wie eine kleine Weltreise.“
Über einen spektakulären Serpentinenpfad begleitet Delgado seine Gruppe bis in ein Dorf im Tal, wo sie in einer traditionellen Brennerei vom Nationalgetränk der Inseln probieren. Der Rum wird aus dem auf den Inseln allgegenwärtigen Zuckerrohr destilliert. Nach dem ausgiebigen Grogue Punch-Testen mit wahlweise Mango- , Litschi-, Passionsfrucht oder Kaffee-Geschmack wissen die Wanderer bald nicht mehr, ob ihnen der Kopf vom Rum oder den atemraubenden Aussichten ringsum brummt.
Indes lohnt sich auf den Kapverden nicht nur wegen ihrer einzigartigen Natur und Berglandschaften ein Inselhopping. Auf dem Archipel erwartet den Besucher auch eine reiche Kultur und eine Geschichte, die mit ihrer zuerst belegten Entdeckung durch portugiesischen Seefahrer António Fernandes bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurückreicht. Zuvor waren die Inseln unbewohnt, es gibt jedoch Mutmaßungen, wonach der Archipel bereits zuvor vom afrikanischen Kontinent aus entdeckt worden sein könnte.
Wer sich besonders für die Geschichte und Kultur der Inseln interessiert, sollte die Hauptstadt Praia zumindest mit dem Unesco-Weltkulturerbe Cidade Velha und Mindelo auf São Vicente kombinieren, der kulturellen Hauptstadt des Archipels, die für ihre Musik-Szene und ihren Karneval berühmt ist. Auf den erst seit 1975 von Portugal unabhängigen Kapverden ist noch immer Portugiesisch Amtssprache, Umgangs- und Nationalsprache, sowie in der Musik und Kultur vorherrschend, ist jedoch das kapverdische Kreol.
Weltbekannt sind die Kapverden für ihre Musik, allen voran den Klängen der Morna. Der von „Sodade“, portugiesisch-kreolisch für Weltschmerz und Sehnsucht, getragene Stil begegnet Kapverden-Urlaubern überall in Cafés, Bars und Tavernen. Cesária Évora, die „Königin der Morna“, wird heute auf den Inseln wie eine Heilige gehuldigt. Von so mancher Hauswand nicht nur auf ihrer Heimatinsel São Vicente blickt das farbige Konterfei der Sängerin heute auf Passanten. Die nächste Generation von Weltmusik-Fans begeistern sich unterdessen auch für jüngere Musikerinnen wie Mayra Andrade und Sara Tavares, die im letzten Jahr überraschend an einen Hirntumor verstarb.
„Die Musik der Kapverden bewegt viele, weil sie menschliche Themen wie Trennung und Heimweh einfängt“, sagt José Vieira. „sie verarbeiten auch die Geschichte der Sklaverei und Auswanderung. Heute leben mehr Kapverdier im Ausland als hier.“ Der 33-jährige ist gerade mit Touristen unterwegs im Valle da Ribeira Grande auf der größten Kapverdeninsel Santiago, wo bereits im 15. Jahrhundert die ersten Sklaven auf den Zuckerrohrfeldern schufteten. Die Zwangsarbeit machte die heutige Cidade Velha an der Mündung des Tals in den Atlantik zur ersten ständigen Siedlung in den Tropen. Bereits 1532 war sie Bischofssitz, 40 Jahre später erhielt sie den Stadttitel. Die von einer trutzigen Festung überragte Cidade Velha mit ihren Kolonialkirchen und dem ehemaligen Sklavenmarkt gehört zu den geschichtsträchtigsten Orten des Archipels.
Wer Vieira von dort durch das Tal durch Zuckerrohrfelder vorbei an Mango- und Papayabäumen hinauf ins Gebirge begleitet, lernt viel über die Geschichte und Kultur der Badius, einer freien Gemeinschaft von Sklaven. Einige von ihnen entkamen bereits im 16. Jahrhundert vermutlich bei Piratenangriffen ihren Häschern. Wandergruppen, die genügend Zeit mitbringen, führt Vieira bei einer mehrtägigen Inselüberquerung vorbei an der höchsten Bergspitze des Pico da Antónia bis zum Sandstrand von Tarrafal. Nicht weit von der idyllischen, von Palmen gesäumten Bucht liegt das ehemalige Konzentrationslager Tarrafal, wo die Portugiesen unter Salazar Oppositionelle und Regimekritiker festhielt. João Da Silva, der damalige Leiter, besuchte in den 30ern deutsche Konzentrationslager und ließ seine Offiziere im KZ Dachau ausbilden. Das Campo do Tarrafal bestand noch bis 1975 nach der Nelkenrevolution als Gefängnis fort. Heute ist es eine Gedenkstätte.
Traumhafte Landschaften und eine oftmals schmerzhafte Geschichte liegen auf den Inseln mitunter ganz nah beieinander. Für die Kapverdier gehören die Sklaverei, Hungerperioden, durch Auswanderung zerrissene Familien und den Kampf um die Unabhängigkeit zu den Themen, die sie bis heute bewegen. Und die oftmals Stoff der traurig schönen Lieder der Morna sind.
„Wer nur für einen Strandurlaub kommt, verpasst das Wesentliche“, sagt José Vieira. „hier auf Santiago mögen wir keine All inclusive-Hotels. Nur wer mehrere Inseln besucht und dort die Menschen kennen lernt, wird die Kapverden verstehen. Und sicher bald zurückkehren wollen.“
Autor: Win Schumacher
© Fotos: Win Schumacher / Weltwege
„Nein, Angst von einem Ausbruch habe ich nie“, sagt Flávio Filipe Montrond und lacht über die besorgte Frage seiner Wandergruppe. „Der Pico do Fogo gilt als einer der am besten überwachten Vulkane der Welt“, beruhigt sie der Bergführer.
Der mächtige Kegel des Feuergipfels, so sein Name ins Deutsche übersetzt, erhebt sich in fast perfekter Symmetrie vor den Touristen auf der Kapverden-Insel Fogo. Schon der erste Anblick gebietet Ehrfurcht vor dem Giganten. Mögen Vulkanologen den höchsten Berg der Inselgruppe im Atlantik, mehr als 600 Kilometer vor der Küste des Senegal, auch ständig im Auge haben – als Wanderer nähert man sich dem 2829 Meter hohen Pico mit Respekt, selbst wenn gerade keine Warnstufe gilt. Es ist der einzige aktive Vulkan des Archipels. Auf anderen Inseln der Kapverden gab es zum letzten Mal im Holozän Ausbrüche.
Stetig steigend führt der Bergpfad erst vorbei an von Steinreihen geschützten Gemüsepflänzchen und Weinreben, dann durch fast gänzlich vegetationsloses, schwarzes Lavageröll. Montrond hat den Vulkan bereits mehrere hundert Mal bestiegen und ist stets wohlbehalten zurückgekehrt. „Was für Wanderer viel eher zur Gefahr wird, ist das sie nicht genügend Wasser trinken oder sich nicht ausreichend vor der Sonne schützen.“ Diese brennt auch am heutigen Morgen erbarmungslos von einem strahlend blauen Himmel.
Der Pico do Fogo gehört zu den aktivsten ozeanischen Schichtvulkanen der Welt. Mehr als 30 Mal ist er bereits ausgebrochen, seit die Portugiesen die Insel im 15. Jahrhundert entdeckten, zuletzt 2014. „Wir haben gelernt mit dem Vulkan zu leben“, sagt Montrond. Den letzten Ausbruch hat er selbst miterlebt und half den Bewohnern der Caldera-Siedlung Portela ihre Habseligkeiten vor dem einsetzenden Lavastrom in Sicherheit zu bringen.
Die Einheimischen haben trotz der regelmäßigen Eruptionen ihren Frieden mit dem Vulkan geschlossen. „Wir verdanken ihm die fruchtbare Erde, die hier auf Fogo Wein, verschiedene Obstsorten und sogar Kaffee wachsen lässt“, sagt Montrond. Für den Bergführer sorgt der Bilderbuch-Vulkan zudem seit vielen Jahren für einen ansehnlichen Broterwerb. Oftmals führt er mehrmals pro Woche ausländische Wanderer zum Kraterrand. Oben angekommen empfängt sie eine sanfte Schwefelbrise und eine atemraubende Aussicht.
Viele Kapverden-Urlauber sehen von den zehn Hauptinseln des Archipels oft nicht viel mehr als die Sandstrände vor ihren Hotels auf Sal und Boa Vista. Die beiden östlichsten Inseln sind als Badeziel vor allem bei Pauschalurlaubern beliebt und auch ab Deutschland per Direktflug zu erreichen. Etliche landen an der Praia de Santa Maria auf Sal oder der Praia de Chaves auf Boa Vista. Dort gibt es auch familienfreundliche Hotels und Resorts. Touristisch weit weniger erschlossen ist die naturbelassene Praia de Santa Mónica im Süden von Boa Vista. Wer dem Rummel gänzlich entfliehen will, findet auf der Insel Maio lange Sandstrände, wo noch immer Meeresschildkröten ihre Eier ablegen. Der Archipel hat ein tropisches, aber weitgehend trockenes Klima und kann daher ganzjährig besucht werden. Im europäischen Winter fällt meist gar kein Regen. Selbst in der Regenzeit zwischen August und Oktober gibt es oft nur in den Bergen heftige Niederschläge. Die Wassertemperatur schwankt über das Jahr nur wenig und liegt in der Regel zwischen 23 und 27 Grad. Für einen reinen Strandurlaub sind die Kapverden jedoch eigentlich viel zu aufregend.
Längst hat sich herumgesprochen, dass einige der Inseln fantastische Berglandschaften und Wanderwege bieten Dabei ist der Pico do Fogo längst nicht der einzige Höhepunkt des Archipels. Wer ein wenig Zeit mitbringt, kann verschiedene Inseln mit der Fähre besuchen und dabei entdecken, dass jede ihren ganz eigenen Charakter aufweist. Wer es eilig hat, kann einige der neun bewohnten Inseln auch per Inlandflug erreichen. Mindestens zehn Tage, besser zwei Wochen, sollte man jedoch einplanen, um wenigstens drei bis fünf Inseln intensiv zu erkunden und noch ein paar Strandtage anzuhängen. Manche Kreuzfahrtschiffe haben auch die Kapverden in ihrem Programm und steuern verschiedene Ziele an, was natürlich Zeit spart. Für Wanderer empfiehlt sich ein Aufenthalt vor allem auf Santo Antão, Fogo und Santiago. Aber auch die Blumeninsel Brava mit ihrem besonderen Mikroklima hat reizvolle Wanderwege. São Nicolau gilt vor allem mit seinen wilden Landschaften im Monte-Gordo-Naturpark noch immer als Geheimtipp.
„Für Liebhaber spektakulärer Landschaften gibt es keine vielfältigere Insel als Santo Antão“, sagt João Antonio Delgado, „für mich ist sie die schönste überhaupt.“ Der 49- jährige Wanderführer steht an einem Steilhang und blickt in das tief eingeschnittene Erosionstal Vale do Paúl, das sich hinter spitzen Bergzacken verbirgt. Der Kontrast zur kargen Mondlandschaft am Pico do Fogo könnte kaum größer sein. Das Tal und die sie umgebenden Felswände leuchten in allen erdenklichen Grüntönen von Berggestrüpp, Pinien, Bananenstauden und Zuckerrohrfeldern. Zwar erreichen die Berge der zweitgrößten Insel ganz im Nordwesten des Archipels nicht ganz 2000 Höhenmeter, dennoch sorgt das Gebirge hier als Trennwall für die meisten Niederschläge für eine spektakuläre Zweiteilung der Insel. „Im Südwesten wähnt man sich fast in der Wüste, hier im Nordosten mancherorts wie im Dschungel“, sagt der Guide, „für Wanderer ist es oft wie eine kleine Weltreise.“
Über einen spektakulären Serpentinenpfad begleitet Delgado seine Gruppe bis in ein Dorf im Tal, wo sie in einer traditionellen Brennerei vom Nationalgetränk der Inseln probieren. Der Rum wird aus dem auf den Inseln allgegenwärtigen Zuckerrohr destilliert. Nach dem ausgiebigen Grogue Punch-Testen mit wahlweise Mango- , Litschi-, Passionsfrucht oder Kaffee-Geschmack wissen die Wanderer bald nicht mehr, ob ihnen der Kopf vom Rum oder den atemraubenden Aussichten ringsum brummt.
Indes lohnt sich auf den Kapverden nicht nur wegen ihrer einzigartigen Natur und Berglandschaften ein Inselhopping. Auf dem Archipel erwartet den Besucher auch eine reiche Kultur und eine Geschichte, die mit ihrer zuerst belegten Entdeckung durch portugiesischen Seefahrer António Fernandes bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurückreicht. Zuvor waren die Inseln unbewohnt, es gibt jedoch Mutmaßungen, wonach der Archipel bereits zuvor vom afrikanischen Kontinent aus entdeckt worden sein könnte.
Wer sich besonders für die Geschichte und Kultur der Inseln interessiert, sollte die Hauptstadt Praia zumindest mit dem Unesco-Weltkulturerbe Cidade Velha und Mindelo auf São Vicente kombinieren, der kulturellen Hauptstadt des Archipels, die für ihre Musik-Szene und ihren Karneval berühmt ist. Auf den erst seit 1975 von Portugal unabhängigen Kapverden ist noch immer Portugiesisch Amtssprache, Umgangs- und Nationalsprache, sowie in der Musik und Kultur vorherrschend, ist jedoch das kapverdische Kreol.
Weltbekannt sind die Kapverden für ihre Musik, allen voran den Klängen der Morna. Der von „Sodade“, portugiesisch-kreolisch für Weltschmerz und Sehnsucht, getragene Stil begegnet Kapverden-Urlaubern überall in Cafés, Bars und Tavernen. Cesária Évora, die „Königin der Morna“, wird heute auf den Inseln wie eine Heilige gehuldigt. Von so mancher Hauswand nicht nur auf ihrer Heimatinsel São Vicente blickt das farbige Konterfei der Sängerin heute auf Passanten. Die nächste Generation von Weltmusik-Fans begeistern sich unterdessen auch für jüngere Musikerinnen wie Mayra Andrade und Sara Tavares, die im letzten Jahr überraschend an einen Hirntumor verstarb.
„Die Musik der Kapverden bewegt viele, weil sie menschliche Themen wie Trennung und Heimweh einfängt“, sagt José Vieira. „sie verarbeiten auch die Geschichte der Sklaverei und Auswanderung. Heute leben mehr Kapverdier im Ausland als hier.“ Der 33-jährige ist gerade mit Touristen unterwegs im Valle da Ribeira Grande auf der größten Kapverdeninsel Santiago, wo bereits im 15. Jahrhundert die ersten Sklaven auf den Zuckerrohrfeldern schufteten. Die Zwangsarbeit machte die heutige Cidade Velha an der Mündung des Tals in den Atlantik zur ersten ständigen Siedlung in den Tropen. Bereits 1532 war sie Bischofssitz, 40 Jahre später erhielt sie den Stadttitel. Die von einer trutzigen Festung überragte Cidade Velha mit ihren Kolonialkirchen und dem ehemaligen Sklavenmarkt gehört zu den geschichtsträchtigsten Orten des Archipels.
Wer Vieira von dort durch das Tal durch Zuckerrohrfelder vorbei an Mango- und Papayabäumen hinauf ins Gebirge begleitet, lernt viel über die Geschichte und Kultur der Badius, einer freien Gemeinschaft von Sklaven. Einige von ihnen entkamen bereits im 16. Jahrhundert vermutlich bei Piratenangriffen ihren Häschern. Wandergruppen, die genügend Zeit mitbringen, führt Vieira bei einer mehrtägigen Inselüberquerung vorbei an der höchsten Bergspitze des Pico da Antónia bis zum Sandstrand von Tarrafal. Nicht weit von der idyllischen, von Palmen gesäumten Bucht liegt das ehemalige Konzentrationslager Tarrafal, wo die Portugiesen unter Salazar Oppositionelle und Regimekritiker festhielt. João Da Silva, der damalige Leiter, besuchte in den 30ern deutsche Konzentrationslager und ließ seine Offiziere im KZ Dachau ausbilden. Das Campo do Tarrafal bestand noch bis 1975 nach der Nelkenrevolution als Gefängnis fort. Heute ist es eine Gedenkstätte.
Traumhafte Landschaften und eine oftmals schmerzhafte Geschichte liegen auf den Inseln mitunter ganz nah beieinander. Für die Kapverdier gehören die Sklaverei, Hungerperioden, durch Auswanderung zerrissene Familien und den Kampf um die Unabhängigkeit zu den Themen, die sie bis heute bewegen. Und die oftmals Stoff der traurig schönen Lieder der Morna sind.
„Wer nur für einen Strandurlaub kommt, verpasst das Wesentliche“, sagt José Vieira. „hier auf Santiago mögen wir keine All inclusive-Hotels. Nur wer mehrere Inseln besucht und dort die Menschen kennen lernt, wird die Kapverden verstehen. Und sicher bald zurückkehren wollen.“
Autor: Win Schumacher
© Fotos: Win Schumacher / Weltwege
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