Torsten, der frühere Fischer und jetzige Pensionswirt, schmunzelt: „Manchmal war die DDR ja doch zu etwas gut. Hätten die Behörden damals nicht ständig die Fahrrinne zwischen Rügen und uns ausbaggern lassen, dann wären wir heute ein Teil des Festlandes und keine einsame Insel mehr !“ Und genau das ist es, was den Reiz des Eilands Hiddensee ausmacht: Natur, Meer, Strände – und ganz viel Ruhe. Weit und breit ist kein benzinbetriebenes Auto zu sehen (behördlich zugelassen sind nur ein paar Elektro-Fahrzeuge), stattdessen einfache, aber bequeme Pferdekutschen, Radfahrer und jede Menge Fußgänger. Wer in Hiddensee Urlaub macht oder auf einen Tagesausflug von Rügen oder Stralsund aus rüberkommt, wird an allen Ecken und Enden daran erinnert, wen diese Einsamkeit und Ruhe besonders angezogen hat: Dichter und Denker, Dramatiker und Maler, oftmals recht exzentrische Zeitgenossen.
Orangefarbene Sanddornbeeren, in Lila leuchtende Heidelandschaft, rosarote Heckenrosen – es ist ein paradiesischer Ort, der Maler und Dichter geradezu inspiriert. Joachim Ringelnatz, der als Kabarettist, Schriftsteller und Maler so ziemlich alle wichtigen Künste beherrschte, schrieb: „Fischerhütten, schöne Villen grüßen sich vernünftig freundlich. Steht ein Häuschen in der Mitte, rund und rührend zum Verlieben. ,Karusel‘ steht angeschrieben. Dieses Häuschen zählt zu Vitte.“ Gewidmet war das Gedicht seiner Freundin, dem Stummfilmstar Asta Nielsen, die im Ort Vitte ein Haus hatte, das sie jeden Sommer aufsuchte.
Vitte ist quasi die Hauptstadt der Insel, weil sich hier die Gemeindeverwaltung angesiedelt hat. Das 650-Einwohner-Dorf, so der erste Eindruck, ist nichts Besonderes – eben eine Art Bürokraten-Niederlassung, die auch eine Insel wie Hiddensee braucht. Es fehlt hier der Charme, den man so oft auf dem Eiland findet. Und doch hat Vitte zwei Attraktionen. Da ist zum einen die „Blaue Scheune“, ein wuchtiges Reetdachhaus, das schon von weitem durch seinen blauen Anstrich hervorsticht. Zwei Künstlerinnen haben dem Gebäude Mitte der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts dieses nicht alltägliche Erscheinungsbild verpasst – warum, das weiß heute niemand mehr so recht. Vom Fremdenführer erfahren wir, dass die „Blaue Scheune“ auch architektonisch gesehen etwas nicht Alltägliches ist: Es war früher ein Rauchhaus. Was bedeutet, dass es keinen Kamin hatte und der Rauch des offenen Feuers sich seinen Weg durch die Ritzen in den Wänden nach draußen suchte. Spontan bedauern wir die armen Menschen, die sich an bitterkalten Tagen wohl arg hustend um das wärmende Feuer drängen mussten. Mittlerweile ist die „Blaue Scheune“ wieder fest in Künstlerhand. Ein Maler erwarb das Anwesen, richtete sein Atelier darin ein. Es kann in der Hauptsaison besichtigt werden. Der Meister selbst erklärt, was alles so wichtig und bedeutend ist. Eben in diesem Vitte ließ sich die Schauspielrin Asta Nielsen einen Rundbau erstellen, der noch heute durch seine ungewöhnliche Form zu den Hauptattraktionen der Insel gehört. „Karusel“ heißt dieses kühn geschwungene Etwas und macht seinem Namen alle Ehre. Die gebürtige Dänin ließ es in der Schreibweise ihres Heimatlandes benennen. Es entspricht dem deutschen Wort „Karussell“. Wir fahren weiter nach Norden und erreichen die touristische Hauptstadt von Hiddensee: Kloster. Hier landen die meisten Besucher und schwärmen über die Insel aus. Wir sehen wunderschöne Häuser, jede Menge der unumgänglichen Andenkenläden. Wir bestaunen die alte Dorfkirche, das letzte Übrigbleibsel eines Zisterzienserklosters, das dem Ort den Namen gab. Und natürlich werfen wir auch einen Blick auf den Friedhof, wo der berühmteste Besucher Hiddensees begraben ist: Gerhart Hauptmann.
Der große deutsche Dichter („Die Weber“) und Literatur-Nobelpreisträger (1912) verbrachte von 1930 bis 1943 jedes Jahr die Sommerferien auf Hiddensee. Sein Urlaubsdomizil, das „Haus Seedorn“, ist heute ein Museum. Die Fremdenführer haben so manche Anekdote über den illustren Gast zu erzählen. Zum Beispiel diese: Hauptmann, der seinen eigenen Schlafraum hatte, pflegte in der Nacht, wenn ihm etwas einfiel, seine Gedanken auf die hölzerne Wand neben dem Bett zu kritzeln. Den Spruch „Schweigen ist die höchste Kunst“ kann man da nachlesen – eine Aussage, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Und weiter geht es nach Norden. Zu Fuß, wie sich das hier gehört. Im Dornbusch, so der Name dieser Gegend, finden wir die höchste Erhebung der Insel, den Bakenberg – der sich stolze 72,5 Meter über den Meeresspiegel erhebt! Etwas höher ist es dann auf dem Leuchtturm, der auf diesen Berg gebaut wurde. Von dort hat man einen tollen Blick über die Insel. Bei gutem Wetter sieht man Rügen, manchmal Stralsund. Allein diese Aussicht lohnt die Wanderung hierher. Abends sind wir wieder in unserer Pension und erfahren bei Bier und dem obligatorischen Klaren mehr über die Insel. Bevor Hiddensee zu einer Touristenattraktion wurde, so erzählen Alteingesessene wie unser Wirt Torsten, ernährten sich die Einwohner von der Strandräuberei. In den Untiefen rund um die Insel lief manches Schiff auf Grund. Die Ladung – oder was davon übriggeblieben war – wurde auf dem Festland verkauft. Originalton Torsten: „Heute bringen die Ausflügler und Hotelgäste das Geld. Geraubt wird nicht mehr ...“ Hiddensee ist flach und sehr kahl. Das hat seinen Grund, erklärt Torsten: Im 30-jährigen Krieg ließ Wallenstein alle Bäume auf der Insel fällen, um zu verhindern, dass die feindlichen Schweden das Holz zum Bau von Schiffen nutzen konnten. Trotz aller Kargheit schwärmen die Insulaner von ihrem „söten Länneken“, dem „süßen Ländchen“. In dem berühmten „Ostseewellen“-Lied wird Hiddensee mit dem Satz „Sehnsucht na dat lütte, stille Inselland“ gewürdigt.
Sehnsucht nach Hiddensee hatte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem die deutsche Intelligenz. Die Liste umfasst berühmte Namen: Albert Einstein, Thomas Mann, Hans Fallada, George Grosz, Sigmund Freud, Gottfried Benn, Franz Kafka, Heinrich George, Ernst Barlach, Gustav Gründgens, Käthe Kruse – alle genossen die Ruhe auf der Insel. Die Hiddensee-Kennerin Petra Dubilski schreibt: „Mit ihren drei Dörfern und herb-schöner Landschaft war und ist die autofreie Insel ein Refugium der Schöngeister und Intellektuellen“ (aus: Ostseeküste, erschienen bei DuMont). Torsten, der Insel-Spezialist, weist uns noch auf einen weiteren Prominenten hin, der auf Hiddensee ein Leben als Einsiedler führte: Alexander Ettenburg. Ein ausgemachter Exzentriker, der in seinem Haus auf einem Zinksarg zu schlafen pflegte und sich Dichter, Theaterregisseur und Schauspieler in Personalunion nannte. Ettenburgs Lieblingsplatz auf Hiddensee war beim „kahlen Bakenberg“, wo er als Eremit in seiner „Bergwald-Kolonie“ hauste. In der von ihm so benannten „Swantevit-Schlucht“ pflegte er seine Stücke zu deklamieren – mit und ohne Publikum. Als der außergewöhnliche Künstler Jahre später in einem Stralsunder Krankenhaus an seiner exzessiven Trunksucht starb, blieb ihm sein letzter Wille, auf dem Insel-Friedhof begraben zu werden, versagt: Bei der Überfahrt ging die Urne verloren! Torsten lacht schallend bei dieser Pointe: „Es wäre doch schon komisch gewesen, wenn wir diesen Verrückten neben dem großen Gerhart Hauptmann begraben hätten“. Wer weiß – Gerhart Hauptmann hatte eigentlich nichts gegen Komiker …
Beste Reisezeit: Mai bis September. Im Juli und August ist die Wetterlage besonders stabil.
Klima: Ostseeküstenklima mit maritimen sowie kontinentalen Einflüssen. Ideales Reizklima. Die Meereswinde treiben Regenwolken von der Küste ins Landesinnere und sorgen dafür, dass Hiddensee zu den Orten mit den meisten Sonnenstunden in Deutschland gehört. Die Luft hat einen hohem Salz- und Jodgehalt und ist sehr gesund.
Essen: Frischer Fisch aus der Ostsee: Dorsch, Aal, Makrele, Hecht, Scholle, Hering frisch, geräuchert oder als Salat. Der Boddenzander zeichnet sich durch einen besonderen Geschmack aus. In der Region sind außerdem Wild, Ente und Gans sehr beliebt ebenso wie deftige Hausmannskost mit Kohl.
Kleine Heringskunde:
Bismark-Hering – eingelegt in Essig und Öl, gewürzt mit Senfkörner und Lorbeerblättern. Nach Originalrezept muss Ostseehering verwendet werden.
Brathering – frischer Hering, paniert und gebraten und anschließend in einer gewürzten Marinade eingelegt.
Bückling – geräucherter Hering.
Matjes – junger Hering, der im Mai gefangen und meist als Salzhering verarbeitet wird.
Rollmops – sauer eingelegter Hering, gerollt um ein Stück Gurke, in einer Marinade aus Essig und Salz.
Salzhering – wird direkt nach dem Fangen stark gesalzen und auf diese Weise haltbar gemacht.
Restaurants: „Restaurant Godewind“ – gehobene Küche in rustikal gemütlicher Atmosphäre; „Inselreif“ – hier werden regionale Spezialitäten und Fisch aufgetischt. Im „Gasthaus & Café Rosi“ in Neuendorf kann man selbstgebackenen Kuchen und Sanddorn-Spezialitäten in einem kleinen Biergarten genießen.
Sehenswert: Vitte, der größte Ort der Insel. An vielen Häusern findet man noch Hausmarken, deren Ursprung runische Zeichnen waren. In dem Heimatmuseum in Kloster ist eine Kopie des Hiddenseer Goldschatzes zu sehen. Die Gerhart Hauptmann Gedächtnisstätte - Im „Haus Seedorn“ sind die Räume so erhalten, wie Gerhart Hauptmann sie 1943 verlassen hat. Ab Kloster durch das Naturschutzgebietes Dornbusch mit den Klippen und der Leuchtturm Dornbusch -erklimmt man die 102 Stufen, hat man einen tollen Blick auf die Insel. Hier finden Sie auch das Wetterstudio von Jörg Kachelmann. Der Leuchturm Luchte bei Neuendorf ist zwar kleiner, aber nicht minder reizvoll an einem breiten feinsandigen Strand gelegen. Die Blaue Scheune war früher Treffpunkt für die Künstler der Insel und beherbergt heute eine Galerie.
Unbedingt machen: Eine Inseltour mit dem Fahrrad. Oder die Insel gemütlich mit bei einer Kutschfahrt erkunden. Drachen steigen lassen. Der Wind bietet beste Bedingungen.
Unbedingt vermeiden: An unbewachten Stränden baden. Die Strömung sollte nicht unterschätzt werden.
Beliebte Mitbringsel: Selbst gesuchter Bernstein. Am Strand von Vitte ist die Chance am größten, den fossilen Baumharz zu finden; Kunst aus einer der vielen Galerien auf der Insel; Sanddorn, die Zitrone des Nordens, wird zu Marmelade, Sirup oder Likör verarbeitet und ist unter Inselbesuchern ein beliebtes Souvenir.
Auskünfte: www.hiddensee.de, www.seebad-hiddensee.de und in Ihrem Reisebüro.
Herbert Pahl
Fotos: Knut Mueller/ Insel Information Hiddensee
Torsten, der frühere Fischer und jetzige Pensionswirt, schmunzelt: „Manchmal war die DDR ja doch zu etwas gut. Hätten die Behörden damals nicht ständig die Fahrrinne zwischen Rügen und uns ausbaggern lassen, dann wären wir heute ein Teil des Festlandes und keine einsame Insel mehr !“ Und genau das ist es, was den Reiz des Eilands Hiddensee ausmacht: Natur, Meer, Strände – und ganz viel Ruhe. Weit und breit ist kein benzinbetriebenes Auto zu sehen (behördlich zugelassen sind nur ein paar Elektro-Fahrzeuge), stattdessen einfache, aber bequeme Pferdekutschen, Radfahrer und jede Menge Fußgänger. Wer in Hiddensee Urlaub macht oder auf einen Tagesausflug von Rügen oder Stralsund aus rüberkommt, wird an allen Ecken und Enden daran erinnert, wen diese Einsamkeit und Ruhe besonders angezogen hat: Dichter und Denker, Dramatiker und Maler, oftmals recht exzentrische Zeitgenossen.
Orangefarbene Sanddornbeeren, in Lila leuchtende Heidelandschaft, rosarote Heckenrosen – es ist ein paradiesischer Ort, der Maler und Dichter geradezu inspiriert. Joachim Ringelnatz, der als Kabarettist, Schriftsteller und Maler so ziemlich alle wichtigen Künste beherrschte, schrieb: „Fischerhütten, schöne Villen grüßen sich vernünftig freundlich. Steht ein Häuschen in der Mitte, rund und rührend zum Verlieben. ,Karusel‘ steht angeschrieben. Dieses Häuschen zählt zu Vitte.“ Gewidmet war das Gedicht seiner Freundin, dem Stummfilmstar Asta Nielsen, die im Ort Vitte ein Haus hatte, das sie jeden Sommer aufsuchte.
Vitte ist quasi die Hauptstadt der Insel, weil sich hier die Gemeindeverwaltung angesiedelt hat. Das 650-Einwohner-Dorf, so der erste Eindruck, ist nichts Besonderes – eben eine Art Bürokraten-Niederlassung, die auch eine Insel wie Hiddensee braucht. Es fehlt hier der Charme, den man so oft auf dem Eiland findet. Und doch hat Vitte zwei Attraktionen. Da ist zum einen die „Blaue Scheune“, ein wuchtiges Reetdachhaus, das schon von weitem durch seinen blauen Anstrich hervorsticht. Zwei Künstlerinnen haben dem Gebäude Mitte der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts dieses nicht alltägliche Erscheinungsbild verpasst – warum, das weiß heute niemand mehr so recht. Vom Fremdenführer erfahren wir, dass die „Blaue Scheune“ auch architektonisch gesehen etwas nicht Alltägliches ist: Es war früher ein Rauchhaus. Was bedeutet, dass es keinen Kamin hatte und der Rauch des offenen Feuers sich seinen Weg durch die Ritzen in den Wänden nach draußen suchte. Spontan bedauern wir die armen Menschen, die sich an bitterkalten Tagen wohl arg hustend um das wärmende Feuer drängen mussten. Mittlerweile ist die „Blaue Scheune“ wieder fest in Künstlerhand. Ein Maler erwarb das Anwesen, richtete sein Atelier darin ein. Es kann in der Hauptsaison besichtigt werden. Der Meister selbst erklärt, was alles so wichtig und bedeutend ist. Eben in diesem Vitte ließ sich die Schauspielrin Asta Nielsen einen Rundbau erstellen, der noch heute durch seine ungewöhnliche Form zu den Hauptattraktionen der Insel gehört. „Karusel“ heißt dieses kühn geschwungene Etwas und macht seinem Namen alle Ehre. Die gebürtige Dänin ließ es in der Schreibweise ihres Heimatlandes benennen. Es entspricht dem deutschen Wort „Karussell“. Wir fahren weiter nach Norden und erreichen die touristische Hauptstadt von Hiddensee: Kloster. Hier landen die meisten Besucher und schwärmen über die Insel aus. Wir sehen wunderschöne Häuser, jede Menge der unumgänglichen Andenkenläden. Wir bestaunen die alte Dorfkirche, das letzte Übrigbleibsel eines Zisterzienserklosters, das dem Ort den Namen gab. Und natürlich werfen wir auch einen Blick auf den Friedhof, wo der berühmteste Besucher Hiddensees begraben ist: Gerhart Hauptmann.
Der große deutsche Dichter („Die Weber“) und Literatur-Nobelpreisträger (1912) verbrachte von 1930 bis 1943 jedes Jahr die Sommerferien auf Hiddensee. Sein Urlaubsdomizil, das „Haus Seedorn“, ist heute ein Museum. Die Fremdenführer haben so manche Anekdote über den illustren Gast zu erzählen. Zum Beispiel diese: Hauptmann, der seinen eigenen Schlafraum hatte, pflegte in der Nacht, wenn ihm etwas einfiel, seine Gedanken auf die hölzerne Wand neben dem Bett zu kritzeln. Den Spruch „Schweigen ist die höchste Kunst“ kann man da nachlesen – eine Aussage, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Und weiter geht es nach Norden. Zu Fuß, wie sich das hier gehört. Im Dornbusch, so der Name dieser Gegend, finden wir die höchste Erhebung der Insel, den Bakenberg – der sich stolze 72,5 Meter über den Meeresspiegel erhebt! Etwas höher ist es dann auf dem Leuchtturm, der auf diesen Berg gebaut wurde. Von dort hat man einen tollen Blick über die Insel. Bei gutem Wetter sieht man Rügen, manchmal Stralsund. Allein diese Aussicht lohnt die Wanderung hierher. Abends sind wir wieder in unserer Pension und erfahren bei Bier und dem obligatorischen Klaren mehr über die Insel. Bevor Hiddensee zu einer Touristenattraktion wurde, so erzählen Alteingesessene wie unser Wirt Torsten, ernährten sich die Einwohner von der Strandräuberei. In den Untiefen rund um die Insel lief manches Schiff auf Grund. Die Ladung – oder was davon übriggeblieben war – wurde auf dem Festland verkauft. Originalton Torsten: „Heute bringen die Ausflügler und Hotelgäste das Geld. Geraubt wird nicht mehr ...“ Hiddensee ist flach und sehr kahl. Das hat seinen Grund, erklärt Torsten: Im 30-jährigen Krieg ließ Wallenstein alle Bäume auf der Insel fällen, um zu verhindern, dass die feindlichen Schweden das Holz zum Bau von Schiffen nutzen konnten. Trotz aller Kargheit schwärmen die Insulaner von ihrem „söten Länneken“, dem „süßen Ländchen“. In dem berühmten „Ostseewellen“-Lied wird Hiddensee mit dem Satz „Sehnsucht na dat lütte, stille Inselland“ gewürdigt.
Sehnsucht nach Hiddensee hatte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem die deutsche Intelligenz. Die Liste umfasst berühmte Namen: Albert Einstein, Thomas Mann, Hans Fallada, George Grosz, Sigmund Freud, Gottfried Benn, Franz Kafka, Heinrich George, Ernst Barlach, Gustav Gründgens, Käthe Kruse – alle genossen die Ruhe auf der Insel. Die Hiddensee-Kennerin Petra Dubilski schreibt: „Mit ihren drei Dörfern und herb-schöner Landschaft war und ist die autofreie Insel ein Refugium der Schöngeister und Intellektuellen“ (aus: Ostseeküste, erschienen bei DuMont). Torsten, der Insel-Spezialist, weist uns noch auf einen weiteren Prominenten hin, der auf Hiddensee ein Leben als Einsiedler führte: Alexander Ettenburg. Ein ausgemachter Exzentriker, der in seinem Haus auf einem Zinksarg zu schlafen pflegte und sich Dichter, Theaterregisseur und Schauspieler in Personalunion nannte. Ettenburgs Lieblingsplatz auf Hiddensee war beim „kahlen Bakenberg“, wo er als Eremit in seiner „Bergwald-Kolonie“ hauste. In der von ihm so benannten „Swantevit-Schlucht“ pflegte er seine Stücke zu deklamieren – mit und ohne Publikum. Als der außergewöhnliche Künstler Jahre später in einem Stralsunder Krankenhaus an seiner exzessiven Trunksucht starb, blieb ihm sein letzter Wille, auf dem Insel-Friedhof begraben zu werden, versagt: Bei der Überfahrt ging die Urne verloren! Torsten lacht schallend bei dieser Pointe: „Es wäre doch schon komisch gewesen, wenn wir diesen Verrückten neben dem großen Gerhart Hauptmann begraben hätten“. Wer weiß – Gerhart Hauptmann hatte eigentlich nichts gegen Komiker …
Beste Reisezeit: Mai bis September. Im Juli und August ist die Wetterlage besonders stabil.
Klima: Ostseeküstenklima mit maritimen sowie kontinentalen Einflüssen. Ideales Reizklima. Die Meereswinde treiben Regenwolken von der Küste ins Landesinnere und sorgen dafür, dass Hiddensee zu den Orten mit den meisten Sonnenstunden in Deutschland gehört. Die Luft hat einen hohem Salz- und Jodgehalt und ist sehr gesund.
Essen: Frischer Fisch aus der Ostsee: Dorsch, Aal, Makrele, Hecht, Scholle, Hering frisch, geräuchert oder als Salat. Der Boddenzander zeichnet sich durch einen besonderen Geschmack aus. In der Region sind außerdem Wild, Ente und Gans sehr beliebt ebenso wie deftige Hausmannskost mit Kohl.
Kleine Heringskunde:
Bismark-Hering – eingelegt in Essig und Öl, gewürzt mit Senfkörner und Lorbeerblättern. Nach Originalrezept muss Ostseehering verwendet werden.
Brathering – frischer Hering, paniert und gebraten und anschließend in einer gewürzten Marinade eingelegt.
Bückling – geräucherter Hering.
Matjes – junger Hering, der im Mai gefangen und meist als Salzhering verarbeitet wird.
Rollmops – sauer eingelegter Hering, gerollt um ein Stück Gurke, in einer Marinade aus Essig und Salz.
Salzhering – wird direkt nach dem Fangen stark gesalzen und auf diese Weise haltbar gemacht.
Restaurants: „Restaurant Godewind“ – gehobene Küche in rustikal gemütlicher Atmosphäre; „Inselreif“ – hier werden regionale Spezialitäten und Fisch aufgetischt. Im „Gasthaus & Café Rosi“ in Neuendorf kann man selbstgebackenen Kuchen und Sanddorn-Spezialitäten in einem kleinen Biergarten genießen.
Sehenswert: Vitte, der größte Ort der Insel. An vielen Häusern findet man noch Hausmarken, deren Ursprung runische Zeichnen waren. In dem Heimatmuseum in Kloster ist eine Kopie des Hiddenseer Goldschatzes zu sehen. Die Gerhart Hauptmann Gedächtnisstätte - Im „Haus Seedorn“ sind die Räume so erhalten, wie Gerhart Hauptmann sie 1943 verlassen hat. Ab Kloster durch das Naturschutzgebietes Dornbusch mit den Klippen und der Leuchtturm Dornbusch -erklimmt man die 102 Stufen, hat man einen tollen Blick auf die Insel. Hier finden Sie auch das Wetterstudio von Jörg Kachelmann. Der Leuchturm Luchte bei Neuendorf ist zwar kleiner, aber nicht minder reizvoll an einem breiten feinsandigen Strand gelegen. Die Blaue Scheune war früher Treffpunkt für die Künstler der Insel und beherbergt heute eine Galerie.
Unbedingt machen: Eine Inseltour mit dem Fahrrad. Oder die Insel gemütlich mit bei einer Kutschfahrt erkunden. Drachen steigen lassen. Der Wind bietet beste Bedingungen.
Unbedingt vermeiden: An unbewachten Stränden baden. Die Strömung sollte nicht unterschätzt werden.
Beliebte Mitbringsel: Selbst gesuchter Bernstein. Am Strand von Vitte ist die Chance am größten, den fossilen Baumharz zu finden; Kunst aus einer der vielen Galerien auf der Insel; Sanddorn, die Zitrone des Nordens, wird zu Marmelade, Sirup oder Likör verarbeitet und ist unter Inselbesuchern ein beliebtes Souvenir.
Auskünfte: www.hiddensee.de, www.seebad-hiddensee.de und in Ihrem Reisebüro.
Herbert Pahl
Fotos: Knut Mueller/ Insel Information Hiddensee
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