54°11‘ nördliche Breite, 7°53‘ östliche Länge HELGOLAND

„Grön is dat Land, rot is de Kant, witt is de Sand. Dat sünd de Farven vun‘t hillige Land.“ Und diese Farben schmücken auch das Inselwappen aus dem Jahr 1696.

Nach drei Stunden und 45 Minuten bin ich schon da. Im flotten Tempo hat mich der „Halunder Jet“ – Halunder ist Helgoländisch, bedeutet Helgo­länder – von den Hamburger Landungs­brücken auf die Nordseeinsel gebracht. Ein paar Tage lang will ich in Ruhe all das genießen, was mir als Tagesgast verwehrt bleibt. Immerhin: Solch ein Kurztrip hatte mich vor ein paar Jahren mal neugierig gemacht. Aber der zollfreie Einkauf von Parfüm, Alkohol und Zigaretten, der die meisten Tagesgäste für knapp drei Stunden Aufenthalt auf die Insel lockt, war für mich nur ein Appetizer. Ich wollte mehr. Während andere Besucher ihr Gepäck am Hafen zum Transport ins ­Hotel aufgeben, ziehe ich meinen ­Trolley hinter mir her. Einen Stadtplan hat mir die Helgoland Touristik zusammen mit den Reiseunterlagen geschickt. Und weil ich ein „Schnupperpaket“ gebucht habe, enthalten sie unter anderem auch Gutscheine für einen Museumsbesuch und eine Bunkerführung. An den bunten Hummerbuden vorbei, in denen einst Fischer wohnten und die heute kleine Läden beher­bergen, geht es die Kurpromenade ­entlang bis zum „Lung Wai“. Das ist Helgoländisch für „Langer Weg“, eine Art Hauptstraße. Immer wieder überholen mich Elektrofahrzeuge. Denn konventionelle Autos sind auf Helgoland – bis auf wenige Ausnahmen wie den Krankenwagen – aus Umweltschutzgründen verboten. Fahrräder übrigens auch. Wegen der Unfallgefahr. Im Unterland ist zwar ­alles flach, aber die Insel besteht ja noch aus zwei weiteren Etagen: Mittel- und Oberland. Und dort sind die Wege ganz schön steil! Deshalb ist der Tretroller auf Helgoland ein beliebtes Fortbewegungsmittel. Bei Jung und Alt. Die 184 Stufen bergauf oder den noch steileren stufenlosen Weg erspare ich mir, nehme den Fahrstuhl. Für 60 Cent, die während der Fahrt beim Kassierer bezahlt werden, bin ich im Handumdrehen im Oberland.

Und lasse mir dort erstmal – wie noch so oft in den nächsten Tagen – den Wind um die Nase wehen. Bei toller Aussicht: An den Hängen unter mir grünt und blüht es. Im Unter­land wuseln Leute durch die Gassen voller Geschäfte. An der Promenade genießen Spazier­gänger das schöne Wetter. Und gegenüber in der tief­blauen See liegt die Düne, Helgolands kleine Schwester. Mein temporäres Zuhause sind die „Mocca-Stuben“, ein gemütliches ­Hotel mit netten Wirtsleuten. Ich habe ­sogar einen Balkon, von dem ich die Nordsee sehen kann. Das Auspacken ist schnell erledigt. Denn auf dem Katamaran sind nur 20 Kilo Gepäck erlaubt. In den kommenden Tagen bin ich viel zu Fuß unterwegs. Helgolands Gassen wirken sehr anheimelnd mit ihren bunten Haustüren und liebevoll dekorierten Vorgärten. Und gleich am Abend meiner Ankunft trinke ich den ersten Eiergrog, in der gleichnamigen Stube. Der hat es in sich: aufgeschäumtes ­Eigelb, brauner Rum, Arrak und heißes Wasser ­machen mir reichlich Dampf! „Das muss sein an der Nordsee!“, lacht die Wirtin. Klar, dass ich in dieser Nacht gut schlafe. Nicht nur wegen der frischen Luft … Am nächsten Morgen geht es auf ­kleine Fahrt. Im Unterland – vorbei am Denkmal des Dichters Hoffmann von Fallersleben, der auf der Insel 1841 das Lied der Deutschen schrieb – spaziere ich zur Landungsbrücke. Und von dort ­lasse ich mich im Börteboot zur Düne rübersetzen. Die knapp zehn Meter langen Boote aus massivem Eichenholz holen ansonsten die Passagiere der größeren Seebäderschiffe ab, die nicht im Hafen anlegen, sondern ihre Gäste kurz davor auf offener See ausbooten lassen.

Auf der Düne sehe ich zum ersten Mal im Leben Seehunde und Kegelrobben in freier Wildbahn. In nur 30 Metern Entfernung dösen etwa 100 Tiere träge am Strand in der Sonne. Ab und zu kratzt sich mal eins mit der Flosse den Bauch, zwinkert in meine Richtung. Am liebsten würde ich hinkriechen und das Tier kraulen. Zwei Seehunde balgen sich. Der Himmel ist blau, die Nordsee wieder friedlich. Meine Seele baumelt. Und mir wird klar: Ich ver­liebe mich gerade in diese Insel. Für die Einheimischen ist das nur ­logisch. Und Zugewanderte wie Hans Hinrich Stühmer bestätigen es: „Ich wurde 1967 im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes für zwei Jahre hergeschickt. Seitdem habe ich nie mehr daran gedacht, wieder von hier wegzugehen.“ Wäre auch schade, denn der mittlerweile 70-jährige Freizeit-Geologe steckt jeden mit seiner Begeisterung für Feuer­steine an. Denn im Kern des von ­außen unschein­baren schwarz-weißen Flints steckt der „rote Diamant“, den Stühmer von Hand herausarbeitet. In Scheiben geschnitten und poliert gestaltet seine Lebensgefährtin Inger ­daraus Schmuckstücke, die in der Hummer-„Bude 31“ verkauft werden. Als ich mit vielen Steinen und einer Ladung Dünensand in der Tasche abreise und die Insel langsam am Horizont verschwindet, fällt mir ein Hit der Rockgruppe „Die Ärzte“ ein. Leise singe ich dazu meinen persönlichen Refrain: „Oh, ich hab’ solche Sehnsucht. Ich verlier’ den Verstand! Ich will wieder an die Nordsee, ich will zurück nach … Helgoland!“

INFORMATIONEN ZU HELGOLAND

Beste Reisezeit: Ganzjährig – immer, wenn es die stürmische Nordsee erlaubt und die Schiffe fahren dürfen. Wer es ruhiger liebt, sollte Festtage wie Ostern, Pfingsten (Hochseeregatta!) meiden, da sich dann sehr viele Gäste auf der Insel tummeln. Wer Geburt und Aufzucht der Kegelrobben live erleben möchte, muss im Dezember/Januar anreisen.

Klima: Typisches Hochseeklima mit Regen das ganze Jahr über. Aber es gibt ja bekanntlich kein schlechtes Wetter, sondern nur die falsche Bekleidung …

Sprache: Deutsch und Helgoländer Friesisch. Kostprobe: Schiff – Skep, Düne – Halk, Insel – Lunn, Strandkorb –Strunkürrow, Seestern – Fluwfuttet.

Zeit: MEZ.

Geld: Euro.

Gesundheit: Helgoland ist ein anerkanntes Seeheilbad, die Luft besonders jodhaltig, sauerstoffreich und fast pollenfrei. Auf der Insel gibt es die Paracelsusklinik inkl. Unfallchirurgie sowie einen fest stationierten Rettungshubschrauber.

Essen & Trinken: Frischer Seefisch: Seezunge, Steinbutt, Scholle, Angeldorsch. Kulinarische Spezialität sind „Helgoländer Knieper“ – die Scheren des Taschenkrebses. Beliebte Heißgetränke: Helgoländer Welle (Rum und Rotwein) und Eiergrog.

Sehenswert: Das Wahrzeichen der Insel ist die Lange Anna – ein freistehender Fels, bis zum Einsturz 1860 noch ein Felsbogen. Oberland: Auf dem Lummenfelsen nisten Tausende von Seevögeln. Der Leuchtturm hat das lichtstärkste Feuer in der deutschen Bucht. In klaren Nächten sieht man es bis zu den Ostfriesischen Inseln. Unterland: buntbemalte Hummerbuden; die Nachbarinsel Düne; James-Krüss-Museum.

Unbedingt machen: Krabben puhlen (und essen); die Lange Anna bei Sonnenuntergang besuchen; im Meerwasserschwimmbad baden.
Unbedingt vermeiden: Regenkleidung vergessen.

Beliebte Mitbringsel: Helgoland ist zoll- und steuerbefreit. Das ermöglicht Duty-free-Shopping. Rote Feuersteine – findet man nur auf der Düne

Auskünfte: www.helgoland.de

Robert Görs

Fotos: Kurverwaltung Helgoland

Robert Görs

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„Grön is dat Land, rot is de Kant, witt is de Sand. Dat sünd de Farven vun‘t hillige Land.“ Und diese Farben schmücken auch das Inselwappen aus dem Jahr 1696.

Nach drei Stunden und 45 Minuten bin ich schon da. Im flotten Tempo hat mich der „Halunder Jet“ – Halunder ist Helgoländisch, bedeutet Helgo­länder – von den Hamburger Landungs­brücken auf die Nordseeinsel gebracht. Ein paar Tage lang will ich in Ruhe all das genießen, was mir als Tagesgast verwehrt bleibt. Immerhin: Solch ein Kurztrip hatte mich vor ein paar Jahren mal neugierig gemacht. Aber der zollfreie Einkauf von Parfüm, Alkohol und Zigaretten, der die meisten Tagesgäste für knapp drei Stunden Aufenthalt auf die Insel lockt, war für mich nur ein Appetizer. Ich wollte mehr. Während andere Besucher ihr Gepäck am Hafen zum Transport ins ­Hotel aufgeben, ziehe ich meinen ­Trolley hinter mir her. Einen Stadtplan hat mir die Helgoland Touristik zusammen mit den Reiseunterlagen geschickt. Und weil ich ein „Schnupperpaket“ gebucht habe, enthalten sie unter anderem auch Gutscheine für einen Museumsbesuch und eine Bunkerführung. An den bunten Hummerbuden vorbei, in denen einst Fischer wohnten und die heute kleine Läden beher­bergen, geht es die Kurpromenade ­entlang bis zum „Lung Wai“. Das ist Helgoländisch für „Langer Weg“, eine Art Hauptstraße. Immer wieder überholen mich Elektrofahrzeuge. Denn konventionelle Autos sind auf Helgoland – bis auf wenige Ausnahmen wie den Krankenwagen – aus Umweltschutzgründen verboten. Fahrräder übrigens auch. Wegen der Unfallgefahr. Im Unterland ist zwar ­alles flach, aber die Insel besteht ja noch aus zwei weiteren Etagen: Mittel- und Oberland. Und dort sind die Wege ganz schön steil! Deshalb ist der Tretroller auf Helgoland ein beliebtes Fortbewegungsmittel. Bei Jung und Alt. Die 184 Stufen bergauf oder den noch steileren stufenlosen Weg erspare ich mir, nehme den Fahrstuhl. Für 60 Cent, die während der Fahrt beim Kassierer bezahlt werden, bin ich im Handumdrehen im Oberland.

Und lasse mir dort erstmal – wie noch so oft in den nächsten Tagen – den Wind um die Nase wehen. Bei toller Aussicht: An den Hängen unter mir grünt und blüht es. Im Unter­land wuseln Leute durch die Gassen voller Geschäfte. An der Promenade genießen Spazier­gänger das schöne Wetter. Und gegenüber in der tief­blauen See liegt die Düne, Helgolands kleine Schwester. Mein temporäres Zuhause sind die „Mocca-Stuben“, ein gemütliches ­Hotel mit netten Wirtsleuten. Ich habe ­sogar einen Balkon, von dem ich die Nordsee sehen kann. Das Auspacken ist schnell erledigt. Denn auf dem Katamaran sind nur 20 Kilo Gepäck erlaubt. In den kommenden Tagen bin ich viel zu Fuß unterwegs. Helgolands Gassen wirken sehr anheimelnd mit ihren bunten Haustüren und liebevoll dekorierten Vorgärten. Und gleich am Abend meiner Ankunft trinke ich den ersten Eiergrog, in der gleichnamigen Stube. Der hat es in sich: aufgeschäumtes ­Eigelb, brauner Rum, Arrak und heißes Wasser ­machen mir reichlich Dampf! „Das muss sein an der Nordsee!“, lacht die Wirtin. Klar, dass ich in dieser Nacht gut schlafe. Nicht nur wegen der frischen Luft … Am nächsten Morgen geht es auf ­kleine Fahrt. Im Unterland – vorbei am Denkmal des Dichters Hoffmann von Fallersleben, der auf der Insel 1841 das Lied der Deutschen schrieb – spaziere ich zur Landungsbrücke. Und von dort ­lasse ich mich im Börteboot zur Düne rübersetzen. Die knapp zehn Meter langen Boote aus massivem Eichenholz holen ansonsten die Passagiere der größeren Seebäderschiffe ab, die nicht im Hafen anlegen, sondern ihre Gäste kurz davor auf offener See ausbooten lassen.

Auf der Düne sehe ich zum ersten Mal im Leben Seehunde und Kegelrobben in freier Wildbahn. In nur 30 Metern Entfernung dösen etwa 100 Tiere träge am Strand in der Sonne. Ab und zu kratzt sich mal eins mit der Flosse den Bauch, zwinkert in meine Richtung. Am liebsten würde ich hinkriechen und das Tier kraulen. Zwei Seehunde balgen sich. Der Himmel ist blau, die Nordsee wieder friedlich. Meine Seele baumelt. Und mir wird klar: Ich ver­liebe mich gerade in diese Insel. Für die Einheimischen ist das nur ­logisch. Und Zugewanderte wie Hans Hinrich Stühmer bestätigen es: „Ich wurde 1967 im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes für zwei Jahre hergeschickt. Seitdem habe ich nie mehr daran gedacht, wieder von hier wegzugehen.“ Wäre auch schade, denn der mittlerweile 70-jährige Freizeit-Geologe steckt jeden mit seiner Begeisterung für Feuer­steine an. Denn im Kern des von ­außen unschein­baren schwarz-weißen Flints steckt der „rote Diamant“, den Stühmer von Hand herausarbeitet. In Scheiben geschnitten und poliert gestaltet seine Lebensgefährtin Inger ­daraus Schmuckstücke, die in der Hummer-„Bude 31“ verkauft werden. Als ich mit vielen Steinen und einer Ladung Dünensand in der Tasche abreise und die Insel langsam am Horizont verschwindet, fällt mir ein Hit der Rockgruppe „Die Ärzte“ ein. Leise singe ich dazu meinen persönlichen Refrain: „Oh, ich hab’ solche Sehnsucht. Ich verlier’ den Verstand! Ich will wieder an die Nordsee, ich will zurück nach … Helgoland!“

INFORMATIONEN ZU HELGOLAND

Beste Reisezeit: Ganzjährig – immer, wenn es die stürmische Nordsee erlaubt und die Schiffe fahren dürfen. Wer es ruhiger liebt, sollte Festtage wie Ostern, Pfingsten (Hochseeregatta!) meiden, da sich dann sehr viele Gäste auf der Insel tummeln. Wer Geburt und Aufzucht der Kegelrobben live erleben möchte, muss im Dezember/Januar anreisen.

Klima: Typisches Hochseeklima mit Regen das ganze Jahr über. Aber es gibt ja bekanntlich kein schlechtes Wetter, sondern nur die falsche Bekleidung …

Sprache: Deutsch und Helgoländer Friesisch. Kostprobe: Schiff – Skep, Düne – Halk, Insel – Lunn, Strandkorb –Strunkürrow, Seestern – Fluwfuttet.

Zeit: MEZ.

Geld: Euro.

Gesundheit: Helgoland ist ein anerkanntes Seeheilbad, die Luft besonders jodhaltig, sauerstoffreich und fast pollenfrei. Auf der Insel gibt es die Paracelsusklinik inkl. Unfallchirurgie sowie einen fest stationierten Rettungshubschrauber.

Essen & Trinken: Frischer Seefisch: Seezunge, Steinbutt, Scholle, Angeldorsch. Kulinarische Spezialität sind „Helgoländer Knieper“ – die Scheren des Taschenkrebses. Beliebte Heißgetränke: Helgoländer Welle (Rum und Rotwein) und Eiergrog.

Sehenswert: Das Wahrzeichen der Insel ist die Lange Anna – ein freistehender Fels, bis zum Einsturz 1860 noch ein Felsbogen. Oberland: Auf dem Lummenfelsen nisten Tausende von Seevögeln. Der Leuchtturm hat das lichtstärkste Feuer in der deutschen Bucht. In klaren Nächten sieht man es bis zu den Ostfriesischen Inseln. Unterland: buntbemalte Hummerbuden; die Nachbarinsel Düne; James-Krüss-Museum.

Unbedingt machen: Krabben puhlen (und essen); die Lange Anna bei Sonnenuntergang besuchen; im Meerwasserschwimmbad baden.
Unbedingt vermeiden: Regenkleidung vergessen.

Beliebte Mitbringsel: Helgoland ist zoll- und steuerbefreit. Das ermöglicht Duty-free-Shopping. Rote Feuersteine – findet man nur auf der Düne

Auskünfte: www.helgoland.de

Robert Görs

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